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AutorenbildIngo

Tigerlose TigerSafari . . .

Aktualisiert: 9. März


06. März 2024 - Ranthambhore

KM 19.566


Tja, was soll ich sagen? Wildlifemäßig steht unsere Reise unter keinen guten Stern. Erst einmal keine Elefanten in ganz Südostasien und nun bitte einmal keine Tiger in Ranthambhore. Zugegebenermaßen bin ich etwas enttäuscht. Es ist die beste Jahreszeit für Tigersichtungen und der Guide erklärte heute, dass es derzeit etwa 80 Tiger in Ranthambhore gäbe. Inzwischen glaube ich, dass es gar keine gibt . . .  Dabei waren wir heute in der Zone 2, die allgemein als die „beste“ Zone für Tigersichtungen gilt. Haha, guter Witz. Aber so ist das eben auf Safari, man kann nicht alles haben.



Der Park ist landschaftlich wunderschön. Schroffe Felsen, ein riesiger See, kleine Täler, Wasserlöcher und unterschiedlichste Vegetation. Die steinige Piste führt vorbei an hohen Klippen, auf denen die alte Festung Ranthambhore majestätisch in der Morgensonne liegt. Es ist wieder kalt, nicht so kalt, wie vor zwei Tagen, doch dieses Mal haben wir uns noch dicker angezogen, denn der Fahrtwind ist richtig schnittig. In den kommenden Tagen wird es aber wieder wärmer, wie wir gesehen haben, doch heute morgen ist es zum kitschigen Sonnenaufgang dennoch frisch. Ein enger indischer Torbogen, rot gestrichen, bietet kaum Platz,



dass die Canter hindurch passen. Dahinter stehen krummgewachsene Bäume, die komplett von Luftwurzelwerk umschlossen sind. Die Färbung des Himmels geht langsam in blau über und die, vorher nur schemenhaft wahrnehmbaren Details werden scharfkantiger. Es sind etliche Fahrzeuge unterwegs, die aber bereits alle im Staub der Piste verschwunden sind. Heute haben wir zwei Familien mit Babys und Kleinkind an Bord. Wir fragen uns immer, wieso machen die Leute das. Die Babies jammern verschlafen in einer Tour und die kleineren Kinder sind ziemlich ungeschmeidig im Hinblick auf Kälte und Tageszeit. Aber mit Chips geht alles. Was auch erklärt, warum die Languren da alle an der Piste hocken. Außerdem haben wir eine Selfieposerin dabei,




die ununterbrochen sich selbst ablichtet, Schnuten und Grimassen zieht. Außerdem fordert sie bei jedem Pfau einen Stop des Canters, damit sie mit ihrem Handy das Gestrüpp ablichten kann, hinter dem der Pfau verschwunden ist. Es ist laut, man telefoniert und, obwohl es überall strengstens untersagt ist, packt der ein oder andere Inder seine Rotis und Chips aus. Die Selfiequeen versucht gar die Vögel mit Chips zu füttern. Unglaublich. Irgendwie scheinen die anderen Teilnehmer nicht zu verstehen, dass der Partybus woanders abgefahren ist oder, kann natürlich auch sein, dass wir im Partybus gelandet sind. An manchen Stellen stehen im Park




noch kleine Mogulgiebel herum, unter denen mal in grauer Vorzeit ein Cenotaph platziert wurde. In der Morgensonne, umgeben von gelben Steppengras, macht das natürlich schon mal ordentlich Lokalkolorit. In der losen Bewaldung grasen die unterschiedlichsten Hirsche und Rehe, Hanuman-Languren toben durch die Bäume und wenn sich der Truck nähert, werfen sie schon mal den ein oder anderen Blick ins Innere. Doch im Gegensatz zu ihren vorwitzigen und auch aggressiven Makakenkollegen, sind die Hanuman-Languren recht zurückhaltend.



Erstaunlicherweise sind in dieser Zone viel weniger Tiere zu sehen, als bspw. in Zone 10, wo wir nach einer Stunde vom Bären, über Mungos auch schon Eisvögel beobachten konnten. Das gelbe Steppengras ist ziemlich hoch, sodass wir ohnehin keine Leoparden zu Gesicht bekommen werden. Unser Guide erzählte, dass die Leoparden auch gerne nachts den Park verlassen, Altranthambhore aufsuchen, weil es dort leichter ist, eingesperrte Hühner abzugreifen, als mühsam kleinem Rehwild nachzustellen. Da kann ich mir den Zorn der Anwohner gut vorstellen. Mit höhensteigender Sonne wird es wärmer und an den verbliebenen Wasserlöchern beginnt es zu wuseln. Überwiegend sind hier Streifenhörnchen und Tiger Brids



unterwegs. Tiger Birds werden hier die schwarz-orange gefärbten Viecher genannt, die in meinen Augen eine Elsternart sind. Die sind so vorwitzig, dass sie sich auch mal auf den Kopf eines Mitreisenden setzen, zumindest aber auf die Strebungen des Canter. Am Ende des Tals kommt die obligatorische Pippipause, die vielfach genutzt wird. Unter anderem stützen die Instafluencer in die Botanik, sehr zum Leidwesen des Guides, der versucht seinen indischen Mitbürgern klar zu machen, dass in der Botanik vielfach Gefahr droht. Gestern morgen ist ein großer männlicher Tiger einfach mal zum Ranthambhore Fort hoch marschiert. Außerdem leben hier auch alle schlängelnden Freunde von Anni. Zu den beliebten Wildtieren hier in



Ranthambore gehören Tiger - naja, mutmaßlich, Leoparden, Streifenhyänen, Sambarhirsche, Chital, Nilgai, Hanuman-Languren, Makaken, Schakale, Dschungelkatzen, Karakale, Lippenbären, Schwarzböcke, Hasen, Indische Wildschweine, Chinkara, Gewöhnliche Palmzibeten, Gelbe Fledermäuse, Wüstenkatzen, Fünfstreifen-Palmhörner, Indische Falsche Vampire, Indische Flughunde, Indische Füchse, Indische Wüstenrennmäuse, Indische Maulwurfsratten, Indische Stachelschweine, Langohrigel, Ratels, Kleiner Indischer Mungo, Kleine Indische Zibetkatzen und der normale Mungo.

Außerdem ein Haufen Reptilien, von Sumpfkrokodilen / Stumpfnasen-Sumpfkrokodile, Wüstenwarane, Landschildkröten, Gebänderte Kraits, über Kobras, Gewöhnliche Kraits, Ganga-Weichschildkröten, Indische Pythons, Nordindische Klappschildkröten, Rattenschlangen und Rüsselottern, Sägeschuppenottern bis hin zum Indischen Chamäleon. Also die Schweißperlen auf der Stirn unseres Guides scheinen schon berechtigt zu sein. Doch Instapüppy schwebt durch



das hohe Pampagras und filmt sich imaginär singend und tanzend, wie in einer Playbackshow, wo gerade ein Stromausfall für Stille sorgt. Wir sind immer wieder erstaunt, dass 2,5 Meter hoch eingezäunte Toilettenhäuschen, obendrein noch mit Stacheldraht, nicht beim ein oder anderen Touristen Gehirnmasse in Bewegung setzt. Aber nun gut, vielleicht lassen sich ja auch so ein paar Könige des Dschungels anlocken! Dann bin ich genervt und mache Druck, dass es weiter geht. Ich wollte da nicht den korrekten Deutschen machen, aber die eigentliche Zeit im Park sind 3 Stunden pro bezahlter Tour und bei allen drei Touren fehlte immer gut eine Dreiviertelstunde, da man sich erst entschließt Pippi machen zugehen, wenn der Motor wieder angelassen wird. Oder - heute tatsächlich passiert - wenn der Motor schon zur Abfahrt läuft, steigt man wieder aus, weil man noch kein Video vom Terrain des Toiletten-Bereiches gemacht hat. Also, ein Erklärvideo, vor dem man seine Haare legen muss, den richtigen Sitz der Kleidung überprüft und dann erst loslegt. Das ist selbst dem Guide zu viel. Während andere Fahrzeuge viel weitere Runden drehen, fahren wir faktisch nur hin zur Toilette und zurück. Der geneigte



Leser merkt, Ingo ist genervt. Als dann besagter Erklärvideoregisseurhauptdarstellerproduzent beim nächsten Pfau erneut den Wagen gestoppt haben will, werde ich laut und mache den Spielverderber. Dem Guide ist es recht, der Erklärbar ist mißgelaunt. Dann stehen wir mit mehreren Jeeps an einem Wasserloch, in dessen Umfeld fürchterlich entspannte Hirsche in der Morgensonne rumdösen. Angeblich hat ein Sambarhirsch, die Spezies, die hier die Eichelhäherrolle hat, einen Warnruf in den Wald geröhrt. Für alle Guides ein sicheres Zeichen, der Herrscher des Dschungels ist im Anmarsch. Wir zücken Vadders gutes Zeisfernglas und suchen den Wald ab. Eine halbe Stunde lang passiert nix. Die Stimmung in der Natur ist wunderschön, wären da nicht die Wiederkäugeräusche von chipsmampfenden Instabloggern, die sogar ein Video über die Chipstüte auf Reisen machen. Das ist kein Witz. Dann machen wir uns auf den Rückweg. Kurz vor dem Ende der Zone 2, sehen wir von weitem, dass dort mehrere Fahrzeuge zusammen stehen und die Besucher hochgradig erregt ins Gras starren. Da gibt der Fahrer Matte und wir stoßen hinzu. Gerade, im Bruchteil einer Sekunde kann ich einen gestreiften Schädel sehen, bevor er sich im hohen Steppengras zur Ruhe bettet. Leider



bekommen wir von der jungen Tigermama mit ihrem Nachwuchs nicht mehr zu sehen. Alle starren wie gebannt auf das Gras und harren der Dinge. In dieser Situation gibt es zwei mögliche Verhaltenswege. Alle Bleichgesichter verharren in andächtiger, beobachtender Stille und hoffen, dass die Katze sich zeigt. Oder, aber, man dreht sich mit dem Rücken zum besagten Grasbüschel und beginnt lauthals zu telefonieren, zu facetimen oder ein weiteres Erklärvideo in Angriff zu nehmen. Der Geräuschpegel ist vergleichbar mit dem Hamburger Fischmarkt morgens um 5:30 Uhr. Diese 2-Wege-Situation spielt sich übrigens in jedem Canter ab, der vor dem Buschland steht, Der Guide blickt auf die Uhr, Zeit ist um, dann blickt er mich an, ich ziehe eine Augenbraue hoch und er verwirft den Plan, jetzt zum Gate zurück zu kehren. Doch die Dame bleibt vornehm in ihrer Grasmulde liegen, nicht mal das Jungtier zeigt sich spielenderweise. Diese Situation hatten wir mal in der Serengeti. Da spielten 4 Löwenjungtiere, scheinbar „alleine“ auf einem kleinen Hügel in der Morgensonne. Man konnte das Rudel nicht sehen, doch ich bin mir sicher, dass die Dame in 0,1 Sekunde auf den Pfoten und auf der Spitze des Hügels gestanden hätte, so es nötig gewesen wäre. Doch hier schein chillen angesagt zu sein. 10 Minuten überziehen wir unsere Besuchszeit, dann erscheinen Schweißperlen auf der Stirn des Guides und bevor er Ärger bekommt geht es zurück zum Gate. Tja, einmal keinen Tiger, bitte! Bonne nuit folks!

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