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AutorenbildIngo

The Bureau of trustful Roads . . .

09. Februar 2024 - Von Vientiane nach Khon Kaen

KM 18.604


Sprichwörtlich "blutrot" geht die Sonne über Vientiane auf. Sie hängt schwer im graubraunen Morgendunst, als ich die Bergziege wecke und vom Hinterhof zum Haupteingang des Hotels fahre. Es verspricht ein heißer Tag zu werden, denn kein bißchen Wind regt sich um die Gebäude oder über der Hauptstraße, die parallel zum Mekong, an unserer Herberge vorbeiläuft. Der Smog über Vientianes Straßen erzeugt natürlich die morgendliche Sonnenromantik, so viel ist mal sicher. Irgendwie kann ich mich nicht gut von Indochina losreißen, dass ist für den geneigten Leser bestimmt schwer zu verstehen, aber dieser Teil der Erde, hatte schon von je her immer einen Platz in meinem Herzen. Aber es hilft nichts, wir packen die Bergziege und machen uns auf zu neuen Abenteuern.



Zum Abschied umrunden wir noch einmal das Patuxai, welches, der frühen Stunde geschuldet, noch ziemlich einsam und verlassen im Morgenlicht vor uns liegt. Auch wenn die Laoten recht früh auf den Beinen sind, hält sich der Verkehr in Grenzen, die allgemeine Lebens-Dynamik ohnehin. Das That Luang liegt ebenfalls auf unserer Route zur 1. Laotisch-Thailändischen Freundschaftsbrücke, die die Grenze nach Thailand darstellt. Am That Luang ist noch nichts los, was uns ermöglicht, an allen Parkwächtern vorbei zu rauschen, um direkt vor der heiligen Stätte zu parken. Die Herren glotzend ziemlich ungläubig, als wir uns vor dem That platzieren, fühlen sich aber nicht bemüßigt, irgendwelche maßregelnde Schritte einzuleiten. Warum auch, soviel Stress am frühen morgen ist des Lebens nicht wert. Mit einem Wai geht alles, besonders im Angesicht von soviel geballtem Buddhismus. Sie grüßen zurück und recken den Daumen hoch. Also haben wir ganz viel Zeit und Ruhe zum fotografieren. Erinnert mich ein bißchen daran, wie ich die Drohne am Borobudur ausgepackt habe und ganz in Ruhe über den Tempel fliegen konnte.



Doch nun hilft es nichts, auf Ingo, reiß dich los, es geht nach Indien. Also schließe ich Frieden mit meiner aufgewühlten Seele und lenke die Bergziege vom Hof, Richtung Grenze. Der Grenzübergang Nong Khai liegt etwa 20 Kilometer südöstlich von Vientiane. Dazu müssen wir durch die gerade erwachenden Suburbs. Gähnend langsam schiebt sich eine Pickuplawine durch die Ausfallstraßen rein nach Vientiane und raus natürlich auch. Gemächlich, gaaaanz gemächlich. Manchmal frage ich mich, ob nicht der ein oder andere Pickuppilot eingenickt ist. Auch manch Rollerfahrer schneckt so über den rissigen Asphalt, dass das meines Erachtens nach, kurz vorm Umfallen ist. Unser Navi will uns natürlich durch die Freihandelszone auf die Freundschaftsbrücke leiten, doch uns wird selbstredend die Einfahrt verwehrt. Erst direkt am



Ufer ist dann auch der Grenzübergang aus geschildert. Wir fahren bis zum laotischen Schlagbaum vor. Der Grenzposten ist riesig, unübersichtlich und natürlich ist es bereits höllisch voll, obwohl wir schon 20 Minuten nach Öffnung hier ankommen. Dennoch ist alles ziemlich geruhsam. Anni bewacht die Bergziege und stelle mich an, also, an einer Schlange bei der nächstbesten Immigrationbude. Die amtlich uniformierten Würdenträger residieren alle in so Bretterbuden unter einem herrschaftlich designten Traditionshochdach. Die Dame stempelt meinen Pass, kann aber nichts mit unserer Visaverlängerung aus Luang Prabang anfangen. Egal, es wird auf alles einfach ein "Used" Stempel gedrückt, unterfackelt und "Nächster"! Aha, so so, dass wars schon? Offenkundig! Aha, so so! Keine Bestechung? So 2 US$ Stempelgeld? Nichts? OK, vielleicht wird es beim Zoll ja aufregender. Die Zollbeamtin glotzt auf den Carnet des Passages, schüttelt den Kopf und kramt einen amtlichen QR-Code, sehr schön mit Nummernschild und Staatswappen darauf, aus der abgegriffenen Ablage. Hält ihn hoch und blickt mich fragend an. Englisch scheint hier nicht zu gehen ich zucke mit den Schultern und



sage nur "from Cambodia" und zeige ihr den Einreisestempel im Carnet. Sie will einen QR-Code! Probleme! Sie zeigt den Carnet einer Kollegin, die direkt neben ihr sitzt. Die Dame, die mehr so den Charme von "Ch-helena" aus der Grillstube Saloniki hat, scheint wichtiger zu sein, da wesentlich mehr Lametta die Schulterstücke ihrer gulaschgrünen Uniform ziert. Nicht, dass sie mehr Ahnung hätte, aber eben mehr Lametta. Die Dame ohne Lametta wird rausgejagt, um das Kennzeichen der Bergziege zu verifizieren. Nun sind Lametta und ich allein, sie schaut mich hilfesuchend an. Kurz erkläre ich ihr, wie der Carnet abzustempeln ist, als die Lamettlose wieder die Bretterbude betritt. Lametta, ganz Frau vom Fach, erläutert ihr mit spitzen Lippen, wie sie denn nun mit dem Carnet verfahren soll. OK, so läuft die Chose, so mit ohne Gesichtsverlust und so. Egal. Ich bin nach 20 Minuten mit allem durch. Anni muss sich nur noch ausstempeln lassen und wir können über die Brücke. Genau in der Mitte des Mekong und damit natürlich auch mittig auf der Brücke, befindet sich die Grenze zwischen Thailand und Laos. Erkennbar daran, dass dort natürlich auch die Landesflaggen wechseln.



Auf der thailändischen Seite ist nun wieder Linksverkehr, woran ich mich auch erst wieder gewöhnen muss. Dieser Grenzstation scheint, seitens des thailändischen Königreiches, keinerlei besondere Bedeutung zugedacht zu werden. Sie besteht nur aus einem Schleppdach, vor dem sich riesige weiße und schwarze SUVs jeder Marke stauen. Wir fahren bis nach vorn und parken. Irgendwie war ich in der irrigen Annahme gefangen, dass die Laoten etwas stressiger in Sachen Grenzübergang seien, als die Thailänder. Doch weit gefehlt. Wir benötigen fast 2 Stunden, um rüber zu kommen. Vornehmlich liegt es wohl daran, dass die Thais gar kein Englisch sprechen und dieser Grenzübergang nie oder nur höchst selten von Bleichgesichtern benutzt werden und mit dem eigenen Fahrzeug, schon gar nicht. Zunächst benötigen wir ein "Beförderungsformular", gestempelt natürlich. Bis ich das kapiert hatte, waren hinter mir Hunderte Laoten aufgelaufen, gestapelt förmlich. Dieses Formblatt muss beim Non-Lao-Schalter gestempelt werden und kostet 200 Bath, Cash, die wir nicht haben. Also behält er meinen Pass und alle Formulare, bis ich Geld getauscht habe. Für das Umtauschen unserer laotischen Kipsel, will der Kerl in der Money-Transferbude meinen Pass sehen. Versuche ihm zu erklären, dass der Pass beim Immigration Officer liegt. Dann keine Bath! Nicht ohne Pass. Bin kurz vor dem Axtmord. Zurück zu Anni, die die Bergziege bewacht. Wir tauschen die Rollen und sie die Kip in Bath - Gebühr 20 €!!! Aber, was solls. Kein Mensch tauscht hier mehr Kip in Bath um, außer diese eine Money-Transfer-Bude. Vor allen Dingen keine Bank. Also gebe ich die 200



Bath dem Immigration Officer und er stempelt mich ein. Ich müsse ein Visum on Arrival haben! Nein, muss ich nicht! Erkläre ihm - mit Händen und Füßen - dass wir nur Transit-Reisende sind, Lege indisches Visum und das Flugticket nach Delhi vor. Aha, so so. Das sei etwas völlig anderes und so bekomme ich meinen Einreisestempel. Auf zum Schalter Lao Car Import Permit. Ohne Englisch, dass kann ja was werden! Die Dame will den Carnet! Was? Thailand beteiligt sich nicht am Carnet des Passages - System! Sie ist überfragt. Bitte sie die Papiere, die Tom für uns fertig gemacht hat, durch zu schauen. Doch sie hat ein Problem und ich verstehe nicht, welches! Sie verläßt die Bude, steht kurz darauf neben mir, in der Hand alle meine Unterlagen und fordert mich auf, ihr zu folgen. Aha, so so! Na, dass kann ja was werden. Sie schleppt mich durch alle Verwaltungsgebäude der Zollabteilung und am Ende sitze ich auf einer Terrasse, vor mir eine Tasse Tee (was ein Wai so alles kann!) und gegenüber eine ältere Zollbeamtin, mit gaaaanz viel Lametta auf der Schulter. Kein Wunder, dass sie gechillt ist und Tee trinkt, während in der Abfertigungshalle der laotische Einreisebär steppt. Das Problem ist, unfassbar, sie wissen nicht, welches Formular für uns gilt! Gesichtsverlust, "ick hör dir trapsen!" Biete meine Hilfe an, mache ein Wai, kriege mehr Tee und zeige ein Foto von dem Zollformular, was wir im Oktober an der malayischen Grenze bekommen hatten. Sie lächelt, mehr Tee und weist die junge Mitarbeiterin an, unverzüglich das Formular



auszustellen und uns passieren zu lassen. Sie zwinkert mir zu und sagt, "We have a form for you!" Na, da bin ich aber froh! Mache artig ein Wai, bedanke mich und renne hinter der dienstbeflissenen jungen Beamtin her. 2 Minuten später, ist alles in trockenen Tüchern und ich denke, jetzt kann nix mehr schief gehen. Anni macht sich auf, ich schiebe Wache an der Bergziege. Es passiert nichts, lange passiert nichts. Anni kommt zurück, die Stimmung ist gereizt und benötigt das Beförderungsschreiben, was es wohl nur pro Fahrzeug einmal gibt. Ohne Englisch, ists halt ein bißchen schwer für alle das Procedere zu verstehen. Unglaublich, dass es an den Grenzstationen nicht einmal die Verpflichtung gibt, eine internationale Sprache zu sprechen. Cool bleiben, wir sind in Asien und nicht im Schengenraum. Immerhin ist eins klar, bei uns hätte kein Zollbeamter Tee angeboten und auch kein Wai gemacht, so viel ist mal sicher!



So sind wir nun wieder in Thailand. Die allgemeine Geschwindigkeit bringt mich etwas aus der Fassung. Die Roller sausen nur an uns vorbei und die Pickups überholen so knapp, dass die Bergziege trudelt. Es ist inzwischen fast 35 Grad und beim fulminanten Tempo von 90 Kilometern pro Stunde, bläst die Hitze föhnartig in meinen Helm. Das Licht ist gleißend, der Himmel von grauem Dunst vernebelt. Der Geruch von Feuer liegt allerorten in der Luft. Scheinbar ist die "Burningseason" früher gekommen, als erwartet. Burning Season bedeutet, dass sich die trockene Vegetation in Sekunden entzündet und es zu riesigen Flächenbränden kommen kann. Natürlich muss man sich auch wieder daran gewöhnen, dass man nicht permanent auf Schlaglöcher achten muss, denn es gibt keine! Wie entspannend und so kann die Bergziege mal richtig laufen, ja galoppieren. Wir "fliegen" durch einen Landstrich Thailands, der Isan heißt. Isan ist Thailands größte Region auf dem Khorat-Plateau und grenzt im Norden und Osten an den Mekong, entlang der Grenze zwischen Laos und Thailand. Im Südosten stößt Iran an Kambodscha und südlich von Nakhon Ratchasima an die Sankamphaeng-Bergkette. Im



Westen ist es durch das Phetchabun-Gebirge von Nord- und Zentralthailand getrennt. Isan hat eine Größe, die etwa der Hälfte Deutschlands entspricht. Meistens ist es platt, zuweilen etwas hügelig, doch im Grunde geht es nur geradeaus. Ist langweilig zu fahren, aber auch nicht besonders anspruchsvoll, da nur mäßiger Verkehr herrscht. Bei der ersten Pause, wir sind ja wieder im 7/11-Land, stellen wir fest, dass Indien gar nicht so weit weg ist. Hier gibt es jetzt Chicken Tikka Masala, jawohl, auch wenn es nur aufgewärmt ist, Indien ist nahe! Wir lassen Udon, den ersten großen Ort, 50 Kilometer hinter der Grenze, rechts liegen auf machen uns auf, zügig nach Khon Kaen zu kommen. Wenn möglich noch vor der stechenden Mittagshitze. Etwa 50 Kilometer vor Khon Kaen passieren wir dann auch ziemlich große Buschfeuer, direkt am Highway, wo die Feuerwehr mit Wasserkanonen den Flammen Einhalt zu gebieten versucht. Es ist so trocken, dass die Blätter von den Bäumen fallen und für uns, besonders nach dem saftig grünen Hochland von Zentral- und Nordlaos, der Eindruck entsteht, es wäre Herbst.



Verbrannte Erde zieht sich kilometerlang entlang der Autobahn 2, Richtung Bangkok. Gegen Mittag erreichen wir Khon Kaen, eine quirlige Studentenstadt, mit Shoppingmalls, riesigen Wats und ordentlich Zivilisation. Was mich fast veranlasst hätte einen Unfall zu bauen, war ein spezielles Schild am Straßenrand. Da stand tatsächlich "Bureau of Trustful Roads"! Ich meine, der Titel ist so schon, vorsichtig formuliert, verkehrstechnisch spirituell angehaucht. Aber, wenn man gerade fast zwei Monate, dem Land der Schlaglöcher ausgesetzt gewesen ist, dann klingt das eher nach dem höhnenden Ruf einer visuellen Fatamorgana. Leider konnte ich nicht wenden, denn das hätte ich dem geneigten Leser schon gerne präsentiert! Ich sags ja immer wieder, mancher Titel in Asien zeugt von einem hohen Maß an Kreativität. Hier wird  übrigens die Helmpflicht für Zweiräder per Kamera überwacht und auch so monetär geahndet. Spannend, außerdem wieder ein Straßenschild, was es bei uns so (noch!) nicht gibt. Wir checken im Terminal Hotel ein und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant. Anni wird fündig, doch beim Übersetzen der Online-Menükarte ... Nun ja, wie soll ich sagen? Ach was, lieber Leser, schau es dir selbst an! Wir nehmen auf jeden Fall zwei mal den Schweinefleisch-Maulwurf-Salat! Bonne nuit folks!




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