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  • AutorenbildIngo

Tage in Vientiane . . .

08. Februar 2024 - Vientiane

KM 18.399


Die Abendstunden in Vientiane sind in diesen Tagen ziemlich malerisch. Seit unserer Ankunft hat es hier keine Wolken, aber auch keinen Wind gegeben. In der Mittagszeit wirkt die laotische Hauptstadt wie ausgestorben. Die Hitze liegt brütend über der Stadt und nur im Schatten kann man es gut aushalten. Dabei ist es gar keine feuchte Hitze, sondern es ist knochentrocken hier. Selbst unser Friseur Tony beklagt, das die Temperaturen etwa 5-8 Grad zu hoch seien, zumindest für diese Jahreszeit. Dafür erwacht Vientiane in den frühen Abendstunden zum Leben. Also, was man in dieser verschlafenen Metropole so "zum Leben erwachen", nennen kann. Zum Sonnenuntergang zieht es alle an die Ufer des Mekong, sodass ich die Gelegenheit nutze und einmal zum That Luang fahre. Da fast alle Laoten mit ihren Rollern ungeniert durch den abgesperrten Bereich fahren, mache ich das mit der Bergziege auch. Stört niemanden, was



nicht schwer ist, denn her ist noch kaum ein Besucher. Da das nationale Denkmal ohnehin um 17 Uhr schließt, ist das chinesische Feld für heute eh schon durch. So sitze ich nahezu allein vor dieser niedlich kleinen Stupa, die jedoch für die Laoten von immenser Bedeutung ist. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass auf dem That Luang gewichtsmäßig mehr Blattgold hafte, als Gold in Fort Knox eingelagert ist. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Mehrfach wird in Reiseführern erwähnt, dass lediglich noch die Spitze der Stupa mit Blattgold vergoldet ist und das restliche Bauwerk nur noch goldfarbend gestrichen wurde. Das ist egal, denn in diesen Abendstunden geht ein schöner warmer Glanz von der "vergoldeten" Oberfläche aus und verbreitet so eine mystisch und auch sehr beruhigende Stimmung. Wieder mal zeigt sich der Himmel wolkenlos, nur ein



leichter Dunstschleier liegt über der Stadt. Das buddhistische Pha That Luang, so der offizielle Name, heißt eigentlich nix anderes als „Große Stupa“ und steht ziemlich im Zentrum von Vientiane. Seit der Stadtgründung, aller Wahrscheinlichkeit nach im 3. Jahrhundert n. Chr., bastelte man an der Stupa mehrfach herum, letztmalig nach dem 2. Weltkrieg. Das That Luang gilt im Großen und Ganzen, als das wichtigste Nationaldenkmal in Laos und auch als nationales Symbol für die Menschen hier. Die untere Ebene ist 68 Meter mal 69 Meter groß. Die zweite Ebene mißt 48 Meter mal 48 Meter und die dritte Eben zählt jeweils 30 Meter auf jeder Seite.

Die Höhe der Stupa ist mit 45 Metern nicht so wirklich riesig hoch, doch das tut dem Bauwerk keinen Abbruch. Irgendwie passt die kleine Stupa in das geruhsame und entschleunigte Laos. Wie der ganze Backs entstanden ist, gehört natürlich wieder mal ins Reich der Mythen und Legenden. Es wird angenommen, dass buddhistische Missionare aus dem Maurya-Reich (Wat?, Wer?) von Kaiser Ashoka (ach der?) geschickt wurden, darunter etliche Arahanta-Mönche, die eine heilige Reliquie Buddhas mitbrachten und sie im 3. Jahrhundert in der Stupa des Tempels "einlagerten". Dabei solle es sich, man höre und staune, um Buddhas Brustbein gehandelt haben. Aha, so so? Mal was Neues, denn für gewöhnlich gibt es nur Haare oder



überdimensioniere Fußabdrücke von Herrn Buddha! Außerdem muss ich natürlich erst einmal nachlesen, was den zum Geier das Maurya-Reich ist. Die Maurya waren eine altindische Dynastie. Gegründet um 320 v. Chr. von Chandragupta Maurya (ach, der Kerl wars), hatte das Reich seinen Ausgangspunkt in Magadha, was wohl das indische Kernland von der Antike bis zum indischen Frühmittelalter darstellte. Aha, so so! Und Ashoka war der Kerl, unter dem das Maurya-Reich seine größte Bedeutung und seine weiteste Ausdehnung erreichte, nicht zuletzt dadurch, dass er für die Ausbreitung des Buddhismus in seinem Reich und in den angrenzenden Ländern sorgte. Das That Luang überdauerte jedoch nicht und verfiel, zumindest bis im 13. Jahrhundert die Khmer vorbeischauten und das That wieder als Khmer-Tempel aufbauten. Tja, wie das nu´so mit der Geschichte ist, auch die Khmer-Zeit war nicht von langer Dauer und das That Luang verfiel erneut. Aber mit neuer königlicher Blüte in Vientiane, wurde der Tempel wieder aufgebaut oder erneuert, so sicher kann man sich da nicht sein. Denn, Mitte des 16. Jahrhunderts verlegt König Setthathirat seine Hauptstadt von Luang Prabang nach Vientiane, was ich völlig verstehen kann. Luang Prabang ist zwar eine schöne Stadt, doch eben mitten in den Bergen und ein bißchen ist der Hund da auch begraben. Über die Zufahrtsstraßen wollen wir auch mal kein Wort verlieren, so viel ist mal sicher! Also, weiter im Text, kaum in der Mekongebene angekommen, will König Setthathirat einen "neuen" Tempel und der wird etwa 4 Kilometer außerhalb der eigentlichen Stadt in Auftrag gegeben. Die Sockel waren jeweils 69



Meter lang und der Stupa war 45 Meter hoch und von 30 kleineren Stupas umgeben. Soweit so gut. Natürlich ist das Tempelchen damit noch nicht aus der Gefahrenzonen, die der allgemeine Mord und Totschlag in der südostasiatischen Region so mit sich bringt. Die Stupa wird immer wieder von vorbeischauenden Burmesen, Siamesen oder Chinesen geplündert, während der thailändische Invasion 1828 gar nahezu zerstört. Dann dengeln die Franzosen 30 Jahre an dem Steinhaufen rum, bis sie 1930 mit dem Resultat zufrieden sind. Nur um direkt danach, im Verlaufe des Französisch-Thailändischen Krieges, das Bauwerk erneut durch einen Luftangriff schwer zu beschädigen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird es wieder aufgebaut und mich wundert, dass es bei den ganzen amerikanischen Bombardements, in jüngerer Zeit nicht wieder etwas abbekommen hat. So viel zu den Fakten. Wenn man im Hier und Jetzt vor diesem Tempel sitzt und mal die desaströse Geschichte ausblendet, ist das hier ein ziemlich friedlicher Ort, den ich übrigens sehr mag. Kinder spielen an der weiß gekälkten Mauer, Mitarbeiterinnen aus den umliegenden Ministerien haben sich ihres Schuhwerks entledigt und laufen barfuß über die warmen Steinplatten, die letzten Besucher strömen aus den umliegenden Wats und die Souvenirhändler quasseln laut und ausgelassen durcheinander. Die Hitze lässt nach und die verschlafenen Lebensgeister treten zu Tage.



Wir haben eigentlich nicht mehr viel zu tun hier. Die meisten Sehenswürdigkeiten haben wir besucht und auch unsere Organisationszwänge halten sich in Grenzen. Wir haben mit unserer Weiterreise alles geklärt, morgen geht es über die Grenze nach Thailand und in 3 Tagen wollen wir gemütlich in Bangkok aufschlagen. So schlendern wir durch Vientiane, geben die Bergziege zum technischen Spa ab und frönen den Kaffeehäusern. In der Mittagshitze kommt die Nachricht, dass wir die Bergziege wieder einsammeln können. Bis auf den Ölwechsel hat alles geklappt. In ganz Vientiane gibt es kein High Performance Öl 15W-50. Aha, so so. Also lassen wir das noch in Bangkok machen. Dafür hat die Bergziege jetzt neue Bremsbeläge, Kühl- und



Bremsflüssigkeit. Der Luftfilter ist gereinigt und wir haben mal gutes 95er aufgefüllt, denn mit der "Katzenpisse" ist die Bergziege nicht so glücklich und läuft auch nicht so rund. Man schlendert durch die Wats, die in der Mittagshitze ausgestorben da liegen, passiert das alte Gebäude der medizinischen Fakultät der Universität von Vientiane und kommt an Dr. Siris imaginärer Arbeitsstelle, dem Mahosot-Hospital vorbei. Die medizinische Fakultät könnte auch eine südfranzösische Präfektur in einem Louis de Funes Film sein, so sehr prägen die




mediterranen Bauten unserer Nachbarn den Stadtkern von Vientiane. Während die Kolonialzeit Französisch-Indochinas langsam in einen verklärten, historisierenden Status übergeht, stehen längst andere Mächte auf der Matte und kämpfen erbittert um die Vormachtstellung. Der Einfluss der Vietnamesen galt von je her als überaus unbequem und so wandte und wendet man sich sehr dem chinesischen Bruder zu. Auch wenn Ho Chi Min die Kommunistische Partei Indochinas und nicht nur die Vietnams, gegründet hat, sahen die Pathet Lao von je her die Vietnamesen mit Argusaugen an. So wendet sich Kaysone Phomvihane, kommunistischer





Politiker, von 1955 bis 1991 Generalsekretär, anschließend bis zu seinem Tod Vorsitzender der Laotischen Revolutionären Volkspartei (LRVP) den chinesischen Brüdern zu. An dieser Stelle muss ich noch einmal auf die russischen Flaggen zu sprechen kommen. Das, was wir immer als russische Hammer & Sichel-Flagge angesehen haben, ist natürlich die Flagge der Kommunistischen Partei der demokratischen Volksrepublik Laos. Nun ja, Kinder meiner Generation assoziieren eben die Hammer & Sichel-Flagge mit Russland . . . Kleine historische Verwirrung, aber im Hinblick auf die russischen Handlungen steuern wir ja wieder auf die alte Sowjetunion zurück.



Während die Vietnamesen versuchen, sich Pfründe zu sichern, so tun es die Chinesen auch. Es entstehen gerade etliche chinesische Tempel in bester Lage am Mekong, nicht weit von monströsen Hotels, in klassisch chinesischer Beton-Marmor Symbiose. Wir schreiben 2024, was gleichermaßen das Jahr des Drachen ist. An den Einfall- und Ausfallstraßen von Vientiane, haben sich unzählige fliegende Händler angesiedelt, die billigste chinesische Drachendevotionalien en gros an den Laoten bringen. Chinesischstämmige Laoten werden mit aller Macht an ihre Wurzeln erinnert, sei es mit Schriftzeichen, religiösen Traditionen oder auch durch dezente Hinweise von staatlich verordnetem Verhaltenskodex für den Überseechinesen.






Wir nutzen unsere Tage hier, um uns zu erholen, gutes Pad Thai zu essen und uns auch darauf einzustellen, dass nun das letzte Viertel unserer Reise beginnt. Manchmal erscheint es mir, als wären wir ja eigentlich gestern erst gestartet. Doch dann muss ich einsehen, dass wir ja schon ziemlich lange unterwegs sind. Wenn ich in meinen Datensicherungen oder auch auf unserer Webseite mal die Galerien durchblättere, sehe ich gefühlt Bilder, Eindrücke und Emotionen, die schon Jahrhunderte entfernt zu sein scheinen. Nun gut, so werden wir morgen das letzte Mal, auf dieser Reise zumindest, den Mekong überqueren und uns mit der Bergziege aufmachen, eine neue Welt zu erkunden. Auf nach Indien! Bonne nuit folks!



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