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AutorenbildIngo

Sex-Tempel . . .

10. März 2024 - Khajuraho

KM 20.040


Nun ja, unser Website Provider hat mir einige Marketing-Tools vorgeschlagen, um die Reichweite unserer Webseite zu vergrößern. Die Maßnahmen fand ich alle doof, besonders die Seite mit Google zu verknüpfen. Meines Erachtens nach, muss man nur das Wort "Sex" einbauen und hat ungeteilte Aufmerksamkeit. Die beste Marketingstrategie der Welt, hat schon in Pompeji in Steinmosaiken funktioniert . . . So, da ich nun ungeteilte Aufmerksamkeit des Auditoriums habe, kann ich beginnen und die Reichweite unserer Webseite zu vergrößern!



Khajuraho ist ein Kaff, mit gut 20.000 Einwohnern. Davon arbeiten - inzwischen - 19.999 im Tourismussegment. Der verbliebene Einwohner Khajurahos, der nicht direkt mit dem Tourismus Segment verbunden ist, ist ein Hund, der immer im westlichen Tempelbezirk in einer, kulturell sehr ansprechenden Nische pennt. Also, der geneigte Leser kann sich innerlich ein Bild davon machen, was hier seit meinem letzten Besuch wohl so alles passiert ist. Genau, es ist laut, grell und bunt! Also völlig normal nach indischen Maßstäben, wird da manch einer achselzuckend



sagen. Nein, hier sei versichert, selbst für indische Verhältnisse, ist es laut, grell und bunt! Eigentlich geht es nur um ein paar alte Steine, die - zugegeben - recht hübsch bearbeitet sind und auch konstruktiv gestapelt, eine ganz gute Figur machen. Die Khajuraho-Tempelgruppe gehört seit 1986 zum UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als eines der „sieben Wunder“ Indiens. Wow, was soll ich sagen, dolle Sache. Inzwischen, muss also in den vergangenen 15 Jahren passiert sein, gehören die mittelalterlichen Steinhaufen zu den beliebtesten Touristenzielen in Indien. Damals, ja genau, damals - ich sehe ganz vorn jemanden mit den Augen rollen, damals interessierte sich keine Sau dafür und die Anlage war OK, aber nicht Hochglanz geleckt. Irgendwie hatte das auch was, so durch das ungepflegte Grün zu stapfen, mit ein paar touristischen Außenseitern, die ebenfalls keine Mühen scheuten und den beschwerlich steinigen Pfad hierher auf sich genommen hatten. Das ist jetzt anders! Die ehemalige 1 Meter hohe Bruchsteinmauer wurde durch gemauerten Sandstein ersetzt, mit einem Stahlgitter auf 2,20 Meter erhöht und abgerundet wird die denkmaltechnische Sicherheitsorgie obenrum mit drei - in Zahlen: 3! - Rollen Nato S-Draht. OK, kann man machen! Außerdem ist eine wahre Flut an



touristischen Nebenszenarien entstanden: Motorrollertouren ins Umland, Bootstouren, Sackway-Touren, Trekking und ich weiß nicht, was sonst noch so alles. Aha, so so. Damals, ja, ja, damals, standen etliche der Tempel noch so in der Gegend rum, in wilder Vegetation und an den Hinterlassenschaften der Paarhufer, konnte man ablesen, einerseits wo die Damen und Herren genächtigt hatten und andererseits welchen Stellenwert die Tempel hatten. Das ist jetzt anders! Vielleicht hat auch die UNESCO gemeckert, die sind ja immer ganz scharf bei der Sache und wollte die Kuklturheiligtümer nicht in beschissenem Zustand wissen, wer weiß. In Bagan, Myanmar, zieren sich die Herren und Damen ja auch noch, den Weltkulturerbe-Status zu vergeben, auch nur wegen ein paar neuer Fliesen und den omnipräsenten Laser-LEDs um die



Buddhahäupter. Im neuen Khajuraho hat man sich in Windeseile daran gemacht, Gastgeber für internationale und nationale Touristen zu sein. Man hat die Straße vorm westlichen Tempelkomplex zur Fussgängerzone gemacht, was wirklich schön ist und es gibt auch nur ein paar Ausnahmen für die motorisierte Nutzung dieser Straße. Denke, es sind nicht mehr als 19.999 Passierscheine. Damit der geneigte Reisende sicher zum Tempelgelände kommt, hat man zügig schöne Sandsteingehwege angelegt, vielleicht hier und da etwas übereilt, aber wen juckt schon ein eingemauerter Briefkasten im digitalen Instagrammzeitalter. Ach ja, um dem Ruf, eine durch und durch technisch-digitale Nation zu sein, kann man Tickets nur noch online kaufen. Dafür existiert auch eine Plattform, die bestimmt der gleiche Programmierer entworfen hat, der sich auch für die eVisaseite Indiens verantwortlich zeichnet. Wenn man nun das Feld "Foreigner" ausgewählt hat, soll man seine Passnummer eingeben und auch seine Mobilnummer, denn man bekommt die Tickets digital zugeschickt. Problem ist nur, dass das Eingabefeld sich an indischen IDs (Personalausweisen) und Telefonnummern orientiert. Jawohl,



da bleibt man natürlich beim Ticketkauf digital sofort hängen. Aber, wie gesagt, wir sind im Orient und der Orient ist der Landstrich der sprichwörtlichen Problemlösung. Also gibt es das halbautorisierte und halboffizielle Gewerbe des Fremdkartenbuchers. Aha, so so. Da lungert nun eine Batterie, nennen wir es mal vorsichtig, orientalisch aufmerksamer Männer rum, die den Erwerb des digitalen Tickets auf ihren Namen laufen lassen. Gegen eine Gebühr. Selbstverständlich! Leider sind die Herren so aggressiv aufdringlich, dass ich versucht bin meine gute Kinderstube zu vergessen. Aber wir haben wieder einmal Glück und lernen einen sehr netten, höflichen Inder kennen, der sehr gut Deutsch spricht, uns natürlich seinen Shop zeigen möchte, aber ahnt, dass er damit viel Porzellan zerschlagen wird und verwirft den Gedanken. Er möchte selbstständiger Reiseleiter werden, wofür er im April in Delhi den B1 nachweisen muss. Bis dahin begnügt er sich damit, uns mit den Tickets zu helfen. Wir geben ihm Trinkgeld eher nicht für die Leistung des Ticketkaufs, sondern eher dafür, dass er uns in Ruhe lässt. Die restlichen Shopbesitzer, fliegenden Händler, bettelnden Kinder, Sadupriester und Kamasutrabuchverkäufer sind maximal nervig. Tatsächlich hilft da nur völlige Ignoranz, ist unhöflich, aber verscheucht die Meute. Wir haben für unseren Besuch den frühen Nachmittag gewählt, weil dann das Sonnenlicht einfach am Schönsten ist.



So, nun kommen die scharfen Sachen! Die Anlage von Khajuraho ist die größte Ansammlung mittelalterlicher Hindu- und Jain-Tempel Indiens, und sie sind außerdem für ihre, sagen wir mal vorsichtig jugendfrei, erotischen Skulpturen bekannt. So, nun ist es raus. Doch noch etwas vorweg, bevor ich zu den Sex-Sachen komme. In dieser Region gab es ziemlich viel Hin und Her, so Mord und Totschlag. Meist ging es um Macht, klaro, was auch sonst. Also die Meiers rechts und die Koslowskis links und jeder wollte natürlich den Garten des anderen. Dann kam Schulze-Brömmelkamp von vorn und hat sich beide Gärten genommen. So in etwa ist es hier abgelaufen. Da rümpft ein geneigter Leser die Nase - scheint nicht historisch genug zu sein, was? Also gut: Die früheste bekannte Macht, die Khajuraho auf ihrem Territorium hatte, waren die Vatsa. Zu ihren Nachfolgern in der Region gehörten die Mauryaner, Sungas, Kushans, Nagas von Padmavati, die Vakataka-Dynastie, die Guptas, die Pushyabhuti-Dynastie und die Gurjara-Praithara-Dynastie. Na bitte, viel genauer! Ab dem 9. Jahrhundert herrschten die Chandelas über das Gebiet und begannen wichtige Tempel zu bauen. Aber die Sache mit dem Neid der Nachbarn, kennen wir ja auch und natürlich zerfiel das Reich irgendwann und Khajuraho verschwand aus dem Bewusstsein der Mächtigen und wurde das verschlafene Nest, dass ich 2009 schon einmal besucht habe. Nein, Spass. Ein britischer Land- und Militärvermesser "entdeckte" die Tempelruinen um 1819 und so brachte man die Bauten wieder in Erinnerung.


Die meisten Khajuraho-Tempel wurden zwischen 885 n. Chr. und 1000 n. Chr. erbaut. Ursprünglich hat es auf dem Tempelgelände im 12. Jahrhundert etwa 85 Tempel gegeben, die sich über eine Fläche von 20 Quadratkilometern erstreckten. Davon sind aber nur etwa 25 Tempel erhalten geblieben. Die bestehenden Tempel haben alle, mehr oder minder gut erhaltene, Skulpturen, Reliefe und Sandsteinschnitzereien mit einer Fülle von komplizierten Details und Symbolik alter indischer Kunst. In der westlichen Gruppe steht der Kandariya Mahadeva-Tempel, was „der große Gott der Höhle“ bedeutet. Aha, so so. Er ist der größte und reich verzierteste Hindu-Tempel dieser mittelalterlichen Tempelgruppe. Er gilt als


eines der besten Beispiele für Tempel aus dem Mittelalter in Indien. Das glaube ich gerne, denn wenn ich mir die Steinmetzarbeiten anschaue, dann ist da schon ordentlich was zu tun gewesen. Die Bauformen der Tempel von Khajuraho waren übrigens ab dem 10. Jahrhundert übliche Konstruktionsform im indischen Tempelbau. Das nur nebenbei! Die Außenflächen sind vollständig mit Skulpturen in drei vertikalen Schichten bedeckt. Möchte gar nicht wissen, wie viel Probefiguren dabei zu Bruch gingen. Die Filigranität der Figuren ist schon ziemlich fortgeschrittene Handwerkskunst. Die hat nicht der Steinmetz Azubi im ersten Lehrjahr gemacht, so viel ist mal sicher! Unter den Bildern von Göttern und himmlischen Wesen sticht Agni, der Gott des Feuers, hervor. Ach der!?! In den Nischen sind ringsum erotische Skulpturen angebracht. Einige dieser erotischen Skulpturen befinden sich in einer kompromittierenden Situation. Heißt formal, Sie befinden sich in den sogenannten Mithuna-Haltungen (Koitus), wobei Jungfrauen das Paar flankieren. So, nu´ist es raus. Überall in den Reliefen sind die scharfen Sachen mehr oder weniger versteckt, weil das natürlich keine schnöde Sex-Sache ist,



sondern eine göttlich-spirituelle Angelegenheit. Aha, so so. Da die Inder ja zu den prüdestens Völkern der Welt gehören, kann sich der geneigte Leserbestimmt vorstellen, wie die indischen Besucherreaktionen ausfallen. Selten habe ich eine archäologische Stätte in Indien gesehen, die die indischen Besucher derartig intensiv albern bestaunt und fotografiert haben. Vor allen Dingen hab ich noch nie eine indische Reisegruppe so andächtig an den Lippen des Guides hängen sehen, wie hier. Da werden eigentlich nur Selfies gemacht oder generell auf dem Handy rumgedaddelt. Natürlich gibt es nur wenige überdeutliche Skulpturen, sondern man muss schon genau hinschauen, um die vielen kleinen und fein versteckten



Frivolitäten, also, ich meine göttlich spirituelle Angelegenheiten an den reichhaltig dekorierten Bauwerken zu finden. Ich mag diese kleinen Tempel. Auch wenn sie nur max 31 Meter hoch sind und ihrer überdekorierten Art eher ein bisschen knuffig daherkommen. Da ich sie bisher nur in der Regenzeit sehen konnte, macht das Wetter den Besuch heute natürlich zu einem Genuss. Daher nehmen wir uns viel Zeit, hocken auf einer Bank, beobachten Menschen, bestaunen die kleinen Tempel und genießen den warmen Frühlingstag hier in Khajuraho.



Einen Großteil des Rummels um die Tempel wird auch durch das Shiva-Fest erzeugt, das wir schon aus Orchha kennen. Deshalb sind Ferien und so ist die kleine Stadt geflutet mit indischen Touristen. Es gibt einen Gewürzmnarkt, der uns sehr empfohlen wird. Ich hatte da ein ganz anderes Bild im Kopf, wenn ich ehrlich bin. Den letzten indischen Gewürzmarkt habe ich in Bikaner, am Rande der Wüste Thar besucht und der war so, wie man sich einen Gewürzmarkt im Orient vorstellt. Hier und heute ist das mehr ein Jahrmarkt, mit viel Plastik und Riesenrad.



Da schleichen wir nur ein mal kurz rüber und verziehen uns Richtung Supermarkt. Brauchen dingend Kaffee, doch werden nicht fündig. Es gibt nur die Nescafé Instantplörre. Aber, dabei entsecken wir, dass die Firma Tata sogar Tee produziert. Wir schauen uns mit großen Augen an




TATA-Tea - aha, so so. Wenn der geneigte Leser unser Erstaunen jetzt nicht versteht, dem schlage ich vor, mal TATA zu googeln . . . Wir lassen den Eisverkäufer links liegen, dessen grellbuntes Eismobil selbst für die indische Farbigkeit ein Novum ist! Auf dem Heimweg passieren wir erneut den westlichen Tempelkomplex, hinter dem die Sonne malerisch untergeht. Zeit fürs Bettchen, morgen müssen wir früh raus, denn wir haben eine lange Etappe vor uns. Bonne nuit folks!




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