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AutorenbildIngo

Schweiß, Staub und Teer . . .

20. August 2023 - Von Bengkulu nach Ipuh

KM 2803


Mann, war die Straße nach Bengkulu super. Unglaublich, nur ein paar Schlaglöcher, nicht schlecht das Ganze. Wir fahren immer noch nordwärts am Meer entlang, Richtung Padang. Sumatra ist groß und wir kommen nicht so zügig voran, wie wir zunächst dachten. Heute schon gar nicht, denn wir befinden uns auf einem sehr seltsamen Teilstück der Küstenroute. Alle 50 oder 100 Meter gibt es riesige Schlaglöcher oder der Asphalt ist auf der Länge von 20 Metern in Pulverform aufgegangen. Also, permanentes stop-and-go, was nicht nur aufhält, sondern auch meine volle Konzentration beansprucht, denn nah am Meer, kann auch schonmal ein ganzes Stück von unserem Fahrstreifen einer Sturmflut zum Opfer gefallen sein . . .

Wir haben verschlafen. Auf unsere Bitte hin, gab man uns in Sinas Sport Hotel ein rückseitiges Zimmer, möglichst weit weg vom Minarett, welches sich genau gegenüber vom Hotel befindet. Irgendwann, um 7:10 Uhr dringt ein Impuls an mein Gehirn, der meine Augen zwingt, sich zu öffnen. Auch Anni ist noch im Tiefschlaf. Wie erholsam, nix gehört und gefühlt traumlos in Morpheus Armen auf dem fliegenden Teppich gelegen. Wir gehen entspannt zum Frühstück, dass ausgezeichnet ist und derart gestärkt verlassen wir Bengkulu gegen 09:30 Uhr nordwärts. Die Straßen, genauer gesagt, die wassergefüllten Schlaglöcher, künden vom nächtlichen Regen, es ist bereits 31 Grad, wenig Wind und damit sehr schweißtreibend. Wenig Wind bedeutet zwar Fahrtwind, aber der ist nur bedingt kühl, sondern eher heiß. Besonders wenn man Palmenwäldchen durchfährt, wabert heute feuchte Hitze über den Asphalt und führ regelmäßig zu Luftspiegelungen. Es ist richtig was los, LKWs reihen sich aneinander, viele Autos sind auf der Straße und natürlich die obligatorischen Roller. Das ist nichts Neues, denn in Indonesien nimmt, bei der Näherung an eine größere Stadt, der Verkehr in seiner Dichte und Dynamik zu und wenn man sie wieder verläßt, braucht es ca. 20 Kilometer bis sich verkehrstechnisch alles normalisiert hat. Wir brauchen zwei Stunden bis Lais, wo uns das Navi auf eine Nebenstrecke lenkt. Alle Laster, PKWs und Roller fahren weiter geradeaus, nur wir biegen ab. Verdächtig. Aber wir nähern uns dem Meer, was bedeutet, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wenn ich in irgendeiner Weise angedeutet zu haben scheine, dass die Straße von Süden nach Bengkulu schlimm gewesen ist, dass nehme ich hier alles zurück, großes Indianerehrenwort! Hier geht es jetzt ab, Durchschnittsgeschwindigkeit 15 km/h, nahezu ausschließlich Schritttempo. Streckenweise fehlt die Straße ganz, fortgespült vom Meer, parallel dazu wurde eine Behelfsschotterpiste angelegt, die die 10 Meter hohen Meereseinbrüche umrundet. Aber, es sollte ja ein Abenteuer sein, daher verwerfe ich meinen Plan, konzentriere mich aufs Fahren und der Rest wird sich ergeben. Vereinzelt begegnen uns einige Roller, aber eigentlich sind wir mit der Bergziege allein. Sie scheint für diese Art Reise einfach gemacht zu sein, denn mit stoischer Ruhe nimmt sie alle Herausforderungen an, die das indonesische Verkehrsministerium für sie bereit hält. Insgesamt denke ich, dass es besser gewesen wäre, wenn man einfach eine Schotterpiste angelegt hätte, darauf wäre die Bergziege ziemlich abgefahren. Hatte heute mal die Federung auf Beifahrer, Gepäck und „Hard Terrain“ eingestellt und siehe da, Schotter geht hervorragend. Natürlich geht es dabei sehr engkurvig hoch und runter, ist ja klar.


Der Küstenstreifen sieht aus, als wäre er von einer richtig heftigen Sturmflut heimgesucht worden. Gestern Abend hatte uns der australische Besitzer des Restaurants, in dem wir zu Abend gegessen haben, erzählt, dass die Strecke sehr schön sei. Aber, er scheint schon länger dort nicht mehr hergefahren zu sein. Derzeit versuchen die Indonesier diesen Küstenabschnitt zu „stabiliisieren“, Tonnen von Betonwellenbrechern und -würfeln werden gerade in die „ausgefranste“ Küste verbaut, Tonnen von Kieseln, also, sehr großen Kiesel, davor geschüttet, denn es scheint, als wären ganze Felsenbereiche abgesprengt und dem tobenden Meer zum Opfer gefallen. Hier ist die Erde ockerrot, anders als im südlichen Sumatra, und die Felsen scheinen aus rotem und gelblichen Sandstein zu sein, der natürlich so weich ist, dass er richtigen Wellenbrechern nicht Stand halten kann. Aber wir wissen des nicht genau. Die Flüsse, die hier ihre Mündung haben sind schlammig rot und scheinen so viel Sediment mitzutragen, dass Nichts durch die Wasseroberfläche hindurch scheint. In Verbindung mit den tiefgrünen Palmen und Bambusstauden bildet sich ein sehr starker farblicher Kontrast. Im südlichen Sumatra, waren die Flussbetten meist aus Stein mit Kieselablagerungen, was dann meist zu klarem, grünlichen Wasser führte. Hier sieht man im Wasser gar nichts, ausser schlammigen Rottöne.

Für die 60 Kilometer bis hinter Ketahun brauchen wir 3 Stunden. Inzwischen ist der gesamte Verkehr auch auf dieser Straße wieder aufgetaucht. LKWs, PKWs und Roller, alle tummeln sich wieder auf unserer Route. Wir vermuten, dass es in Lais irgendwie eine neue Tangente gibt, die wir nicht auf der Karte oder im Navi haben. Aber jetzt sind alle Karten neu gemischt und wir müssen alle hier lang. Hinter Ketahun durchfahren wir eine Mondlandschaft. Auf 10 Kilometer Strecke ist der gesamte Primärwald abgeholzt und es wurden Terrassen in der hügeligen Landschaft angelegt. Wir können uns nicht so recht einen Reim darauf machen, denn für Reisterrassen sind die „Beckengrößen“ zu gering. Zwischendurch tauchen schon lange Betonpfosten mitten in dieser Landschaft auf und es wird deutlich, dass dort Dörfer angelegt werden und die Region irgendeinen Anbau betreiben wird. Zu unserer Rechten liegen riesige Gummibaumwälder, die Stämme mit den charakteristisch eingekerbten Riefen, an deren Ende, aus halben Kokosnüssen gefertigte, Näpfe den Saft des Baumes auffangen. Dann wir klar, was hier zukünftig in exorbitanten Mengen angebaut wird - Tee. Wir passieren eine Teeplantage, deren „Hänge“ bereits ausgewachsene Teebäume bewachsen. Mein Blick fällt sofort auf das Navi, dass eine Höhe von 68 Meter über N.N anzeigt. Dachte immer, dass Tee in größeren Höhen gedeihen müsste . . . Aber nun gut, sie sollte wissen, was sie tun.

Kurz vor Seblat halten wir am Meer und machen eine Kaffeepause. Besser gesagt eine Eis- und Kaffeepause. Die Indonesier lieben Eis und es gibt gefühlt auch überall welches. Mein neuer Favorit ist das Wassermeloneneis mit Kernen, die aus Schokolade sind! Jawohl, großartig! Anni merkt an, dass das Fahren heute kein Spass ist und macht ein Gesicht. Was soll ich sagen, fasel etwas von Abenteuer und so und dann geht es weiter. Von Seblat nach Ipuh sind es noch 46

Kilometer. Dann zur allgemeinen Überraschung, als hätten die Kamis, die Hausgeister, Annis harsche Kritik gehört, die Straße ist nagelneu, breit und da es Mittagszeit ist, fährt buchstäblich außer uns niemand darauf. Großartig, nicht nur der Belag, sondern auch die Straßenführung hat alles, was der Motorradfahrer braucht. Rechts und links der Straße hat man massiv

Palmenwälder aufgeforstet. Da auch hier die üblichen Tsunami-Evakuierungsschilder stehen, könnte es natürlich sein, dass in diesem Landstrich die Wellen bis weit ins Land hinein, alles zerstört haben und die Aufforstung eine Folge davon war. Wer weiß. Wir schaffen die 45 Minuten in kürzester Zeit und erreichen Ipuh in der brütenden Hitze des frühen Nachmittags. Da es hier auf dem Land keine Hotels mehr über irgendwelche Buchungsportale gibt, müssen wir uns auf Google verlassen. Wir finden ein tolles kleines Hotel, mitten im Ortskern, fernab der Moschee, die für uns ein sehr schönes Zimmer mit AC und WLAN haben. Der Vermietvorgang geht nur in Kombination der rudimentären Englischkenntnisse von Vater Jan und Tochter Haida, die einen sehr spitzbübischen Eindruck macht. Das Zimmer ist groß, nahezu geräumig, hat keinen Wandschrank und eine asiatische Dusche mit asiatischem WC (ohne Spülung, dazu wird Wasser aus einem Bottich nachgegossen).


Selten habe ich es so genossen, mit klarem, kühlen Wasser den Schweiß, Stub und Teer der Straße abzuspülen. Ein schönes Hotel, ein bißchen am Ende der Welt, aber uns gefällt es. Wie der dicken, fetten Kröte, die uns aus dem Flur entgegen hüpft . . . Bonne nuit folks.



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