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  • AutorenbildIngo

Reismuseum oder Rijksmuseum . . .

14.Oktober 2023 - Langkawi

KM 6308


Tja, das Reismuseum haben wir uns ganz anders vorgestellt, irgendwie. Wir stehen im „Garten“ der Anlage vor dem aufwendig angelegten Instagrampoint, der übrigens bereits am Eingang heftigst beworben wird und schauen auf einige abgeerntete, braune Wasserflächen. Im Hintergrund tummeln sich Alibiwasserbüffel, ein Ochse und drei Kühe, ansonsten ist hier gähnende Leere, auch im Hinblick auf Lehre. Über eine weiß getünchte Dekobrücke, die in ihrer Art vermutlich von der Wallbrücke von Osakas Stadtschloss abgekupfert ist, führt ein Weg zu

verschiedenen Museumsgebäuden. Alles liegt völlig verlassen in der Mittagshitze da, wir scheinen die einzigen Lebewesen zu sein, neben Moskitos, Wasserläufern und all den Viechern, die nicht sichtbar sind. Von der Anlage her könnte es auch ein buddhistischer Tempel sein, Vorhöfe, Hinterhöfe, ganz wichtige Höfe, Umland. Um die Anlage gibt es Reisfelder, meist 25 mal 25 Meter groß, deren Bepflanzung in unterschiedlichen Wachstumsstufen der Reispflanzen sind. Zwischen den frisch gewässerten Feldern gibt es überall Palmengruppen und kleine asiatische Häuschen, die in Indonesien, sehr bruchbudenhaft auch wirklich auf den Feldbegrenzungen stehen. In Malaysia habe ich noch nichts in der Richtung gesehen, aber wir sind ja auch in einem Museum. Die Hütten stehen auf Stelzen in der feuchten Erde und dienen als Wohnraum, Zwischenspeicher, Schatten- und Ruheplatz, sowie natürlich auch als Regenschutz. Es gibt ein zwei Reisfelder, deren Pflanzen kurz vor der Ernte stehen, sodass wir die prallen Reiskörner an den Spitzen der Pflanzen gut sehen können. An einer Stelle liegt Reisstroh, aufgeworfen und dekorativ zur Schau gestellt. Leider gibt es kaum Informationen. An den weiß getünchten Wänden in den verschiedenen Innenhöfen sind frisch gemalte Bilder zu sehen, die Arbeitsschritte im Reisalltag zeigen. Alles ein bißchen dünn, Reisstroh, Wandgemälde, hmmm - Wir sind hier doch nicht im Rijksmuseum!


Dann finden wir ein großes Haus, mit malaischem Dach, was ich vorsichtig als asiatisches Walmdach bezeichnen würde, selbst auf die Gefahr, dass jetzt hier der ein oder andere glas-, stahl- und betonliebende Formalarchitekt einen Spontanherzanfall bekommt. Den Eingang ziert ein überdimensioniertes Schild Reisgalerie. Hatten wir schon gesehen, aber, nach dem Besuch mehrerer Orte in Malaysia, die als Galerie bezeichnet wurden, ignorieren wir den Backs erst einmal, den malaiische Kleinkunst gehört nicht zu meinen bevorzugten Gegenständen. Aber hinter dem exorbitanten Hinweis Reisgalerie versteckt sich tatsächlich das „Museum“. Das Schild ist so riesig, dass mir tatsächlich nur eine Funktion einfällt - Aufmerksamkeit! Schlicht und einfach Aufmerksamkeit. Der ausdrückliche Hinweis Instagrampoint wird der

medienabhängigen Socialmediameute stante pede jegliche synaptische Verbindung zwischen Gehirn und Augen abschalten und der übrig gebliebene geistlose Organismus wird in digitaler Trance zu dem roten Rahmen latschen und sich genau dort positionieren, wo der digitale Djinn es vorgesehen hat. Großartig, sie haben tatsächlich einen Rahmen aufgestellt, der die beste Motivauswahl garantiert. Also benötigt das „Museum“ tatsächlich irgendein aufmerksamkeiterregendes Attribut, damit die Socialmedialemmige aus ihrer gleichschrittigen Reihe heraustreten können, um Hirn und Herz zu nähren und nicht nur Cache und Festplatte.

Die Klimaanlage scheint das Modell Zermatt zu sein, denn ich möchte sofort nach Eintritt meine Daunenjacke haben. Draußen sind es heute fast 40 Grad, kein Wind und stechenste Sonneneinstrahlung. Die stetig steigende Luftfeuchtigkeit verrät, dass der Regen heute nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Dann sind wir in Zermatt, vielleicht 16 Grad, was bedeutet, dass es fast 24 Grad Temperaturunterschied sind. Merke erste Eisbildung auf dem Rücken im Gewebe meines durchgeschwitzten Tshirts. Aber, wenden wir uns dem Thema Reis zu. Man hat sich alle Mühe gegeben, dem Bildungsgrad der Besucher entgegen zu kommen. Wenig bis keine schriftliche Information, viele großflächige Bilder und hier und da edukative Realien, wie Sicheln, Fischräusen oder Büffelgeschirre aus Holz. Keine digitale Animation, keine LED-Flatscreens und keine Ballerspiele, bspw. Der Tod im Reisfeld. Schlechter Titel, ist ja ein Buch von Peter Scholl-Latour über Indochina. Wäre aber sinnvoll hier, sagen wir mal, so nach zwei Reisexponaten eine Playstation mit Haudraufundschluss-Spielen, Blut über den Reiskörnern vielleicht, so dass der jugendliche Intellekt, nach derartig krassem intellektuellem Input, wieder auf ein normales Maß an digitaler Fütterung zurück sacken kann. In Anbetracht der recht dünnen museumspädagogischen und inhaltlichen Leistung der Traditionseinrichtung, sind wir auch völlig allein in der behaglichen Behausung, die mich eher animiert Schneemänner oder Iglus zu bauen.

Aber natürlich nehmen wir etwas mit, es gibt 52 Sorten Reis in Malaysia, was ich schon spannend finde. Die restlichen Infos, waren irgendwie mehr so propagandistisch, wie man das eigentlich nur von postkommunistischen Durchhalteparolen kennt. Wir, hier in Malaysia, haben die größten Anstrengungen unternommen . . . außerdem sind hier in Malaysia die größten . . . mit vereinten Kräften, der größten . . . die Leistungen, die hier die größten . . .

Wir verlassen Zermatt durch den Hinterausgang, dessen klimatischen Bedingungen unseren Organismus wieder mal kräftig durcheinander gewirbelt hat. Dort stehen im Schatten mehrere Bänke, auf denen das Museumspersonal siestamäßig vor sich hin vegetiert. Wir statten den Wasserbüffeln einen Besuch ab, die in der Mittagshitze, auf der Suche nach Resthalmen träge durch den Schlick der abgeernteten Felder marodieren. Die Damen sind freudig erregt und neugierig, als ich vorbeimaschiere, der Ochse hat ein Problem. Er macht ein Gesicht, ein langes, beäugt mich vorsichtig und kommt zu dem Schluss, dass, das nur noch spärlich vorhandene Gras, seins natürlich - alles seins, in Gefahr ist und kommt schnaufend auf mich zu. Da der schlammbeschmierte 700 kilogramm Bulle, eindeutig die längeren Hörner hat, sich im Schlick eindeutig schneller bewegen kann und auch wenig Gehirn mit einem moralischen Filter, genannt Hemmungen hat, ziehe ich den intellektuellen Rückzug nach hinten an. Vorbei an den interessierten Kühen, die mich mit ihren großen braunen Augen herzig anschauen, sich ohrenzuckend abwenden und weiter fressen.


Ein einsamer Waran, in intensivem blau-grau, schwimmt schreckhaft unter die Osakabrücke und entschwindet so unseren Blicken. Die intensive blaue Färbung kann zwei Ursachen haben, entweder hat das Wasser den ganzen Schlamm abgewaschen, anders als bei seinen Kollegen im Mangrovenschlick, oder das Wasser ist so heiß, dass er gekocht wurde bis er blau wurde, ähnlich der Indigopflanze, deren Farbstoff auch ausgekocht werden muss. Hoffe ersteres für den kleinen Kerl (er war wirklich nicht so der angsteinflößensde Vertreter seiner Art).

Heute Abend haben wir eine Einladung zur Happy Hour in die Wundabar (heißt wirklich so) von Götz. Peter, der Mangrovenscout, hat uns eingeladen, dort mit ihm Bratkartoffeln und Weizenbier zu nehmen. Bin gespannt. Bonne nuit folks.


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