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AutorenbildIngo

Paläste, Paläste, Paläste . . .

02. März 2025 - Jaipur

KM 19.336


Jaipur hat eine Menge zu bieten. Hier gibt es für jeden Geschmack etwas. Irgendwie ist Jaipur Indien Compact, trotz der 3 Millionen Einwohner, womit es die zehntgrößte Stadt Indiens ist. Doch diese Menge an Menschen fällt nicht richtig auf. Es ist zwar voll in Jaipur, doch in Indien ist es überall voll. Wer das erste Mal nach Indien kommt, wird vermutlich von der Massen an Menschen, die zeitgleich auf die gestressten Sinne des Großhirns einprasseln, völlig fertig sein. Das Zentrum der rosafarbenen Stadt, umgeben von einer schönen, romantisch verwitterten Stadtmauer, ist fußläufig zu erkunden. Hier kann man auf ein paar Quadratkilometern eben Indien in seiner Gänze erfahren. Kleine Gassen, mal schmuddelig, mal super gepflegt, Basare,



mal orientalisch exotisch, mal heruntergekommen und dreckig, Kulturstätten jeglicher Art, jede nur erdenkliche Art indischen Essens wird hier gekocht, gebrutzelt oder angerührt. Über allem liegt der Hauch von 1000 und eine Nacht. Verwinkelte Seitenstraßen, Mogulgiebel und kleine Zwiebeltürmchen, Kühe und Schafe in der Nachbarschaft, abblätternde Wandmalereien, die von historisch bis zur Werbung reichen. Dazu ein schier unendliches Verkehrs- und Bewegungschaos, dass so intensiv und laut ist, dass einem der Markusplatz in der Hochsaison eher leer und öd vorkommt. Jaipur bietet Indien Compact und das geballt. 100 % aller



Indienbesucher kommen früher oder später durch Jaipur. Ob Sawai Jai Singh, ein Rajput-Herrscher, sich das hätte träumen lassen, als er um 1727 hier eine Stadt gründet, die auch nach ihm benannt ist. Jaipur entstand nicht einfach aus einer gewachsenen Gemeinde heraus, sie wurde geplant. Eine der ersten richtig geplanten Städte Indiens! Eigentlich hatte der Rajputen Fürst in Amber gelebt, doch die wachsende Anzahl seiner Untertanen und der damit verbundene Wassermangel zwang ihn "umzuziehen". Das mit der rosa Farbe hatte ich ja schon mal angedeutet, doch man ist sich nicht ganz einig, was nun wirklich der Grund war, die Mauern alle Rosa anzupinseln. Als es Albert Edward, Prinz von Wales, im Jahr 1876 nach Jaipur verschlug, befahl Sawai Ram Singh II. die Mauern einzufärben, so als Willkommensgruß. Das ist die offizielle Begründung für den so schönen Titel "The Pink City!" Jaipur liegt im "indischen Goldenen Dreieck": Delhi, Agra, Jaipur. Außerdem ist es von hier nicht mehr weit zu den alten Wüsten- und Gewürzstädten wie Jaisalmer und Bikaner, sowie den prächtigen Maharadjastädten, wie Udaipur oder Jodhpur. Jaipur ist sozusagen das Tor zum Bundesstaat Rajasthan.



Wir machen heute in Kultur, brauchen wieder mal ein paar zünftige alte Steine. Unterwegs in den Gassen lauern schon die Tuktukfahrer und preisen ihre Touren entlang der 5 Paläste, ganz individuell. Also, eigentlich fahren alle Tuktuks die gleiche Route, entlang der gleichen Paläste, sodass sich mir der Begriff individuell nicht ganz erschließt. Paläste, Paläste, Paläste . . . Noch vor wenigen Jahren, hat sich bspw. kein Mensch für den Wasserpalast in Jaipur interessiert. Der kann nun auch so gar nicht mit den Wasserpalast in Udaipur mithalten. Doch inzwischen gibt es eine Uferpromenade, auf der die gleichen Mitbringsel- und Andenkenschacherer ihr Unwesen treiben, wie an jeder anderen Kulturstätte Indiens auch. Nicht, dass man jetzt endlich mal zum Palast hinüber könnte, nein, nein, doch inzwischen kann man auf der Uferpromenade immerhin einen Kamelritt machen. Die Chinesen lieben es. Ich nicht, denn sie verwenden das gleiche Sattelmodell, auf dem ich mir mal einen blutigen Hintern geholt habe, als ich mehrere Tage in der Wüste That, an der pakistanischen Grenze, unterwegs war. Wir schauen heute noch einmal beim City Palace vorbei. Was so profan klingt, ist natürlich der Maharadjapalast von Jaipur. Es ist Sonntag und somit sind die meisten Besucher Inder, die in ihrem Sonntagsstaat durch die öffentlichen Bereiche des Palastes schlendern. Der Maharadja lebt noch in einem privaten Bereich. Der Rest ist Museum. Ich glaube, er muss sich mit 80 Zimmern begnügen - krass, wie er leidet.



Sie haben die Preise ordentlich angezogen und ein kopierter DIN A4 Zettel informiert, dass Filmaufnahmen im Palast laufen und bitten um Verständnis. Aha, so so. Da bin ich gespannt. Ist es eine indische Produktion, wird es wohl eine Menge Singen und Klatschen geben, etliche Explosionen, waghalsige Hubschauberszenen, wo der Held, mit kerniger Lederjacke, festsitzender Föhntolle und dem 300 Schussmagazin seines, eigentlich sechsschlüssigen, Colt Pythons, mutig die schöne, aber totlangweilige Prinzessin rettet. Wer weiß, was uns da erwartet.

Heute ist das Wetter nicht so prall, aber nach fast 9 Monaten ausschließlicher Sonne, sind auch mal ein Paar Wolken ganz abwechslungsreich. Dennoch ist das Licht bleiern und ich bin mir sicher, dass der Beleuchter am Set alle Hände voll zu tun hat, um die fehlenden Sonnenstrahlen



zu kaschieren. Der Stadtpalast von Jaipur ist eine königliche Residenz, holla die Waldfee, wie seriös, und auch ehemalige Verwaltungszentrale der Herrscher des Staates Jaipur. So, damit hätten wir schon etliches geklärt. Der Palastkomplex verfügt über mehrere Gebäude, verschiedene Innenhöfe, Galerien, eine Palastschule, Restaurants, Büros des Museum und außerdem hat der Maharadja heute immer noch 500 Angestellte, die sich um den ganzen Backs und seine Existenz kümmern. Hab ich zumindest gelesen. Durch verschiedene Tore gelangt man in den inneren Bereich der Anlage, wo ein großer Pavillon mit Marmorfußboden, jeder Menge verzierter Stützsäulen und zwei gigantischen Silberpötten auf den Kulturhungrigen warten.



Die beiden identischen Silberpötte in der Audienzhalle haben eine Höhe von 1,6 Metern, fassen jeweils 4000 Liter und mit ihren Gewicht von 340 Kilogramm, sind sie die größten Sterling-Silbergefäße der Welt. Zur Krönung Edwards VII, 1902, ließ der amtierende Maharadja sie aus 14.000 geschmolzenen Silbermünzen dengeln, ohne, dass irgendetwas gelötet wurde! Die großen Silbereimer wurden speziell von Maharaja Sawai Madho Singh II. in Auftrag gegeben, um, jetzt halte sich der geneigte Leser fest, das Wasser des Ganges als Trinkwasser auf seiner Reise zur Krönungsfeier nach England zu transportieren. Das erklärt auch den illustren Namen Gangajalis (Ganges-Wasserurnen). Naja, ich bin mit meiner Edelstahl-Literflasche eindeutig schlecht ausgerüstet, soviel ist mal sicher!



Innenhof nach Innenhof, Pavillon nach Pavillon, Nischen, messingbeschlagene Türen und Tore, hier findet man den Orient in Reinkultur. Doch, ehrlich - es ist schon etwas runtergekommen. Man sieht genau, wo Farbflächen ausgebessert wurden, anstatt die gesamte Fläche gleichmäßig zu streichen, viele Putzausbrüche und Risse zieren die verblassten roten Wände des öffentlich zugänglichen Palastbereichs. Von den Dreharbeiten bekommen wir nicht viel mit, die finden einige Innenhöfe weiter statt. So ein muskelbepackter Gulon, ganz in schwarz gewandet - wie auch sonst - mit dem üblich hochintelligenten Blick eines Mannes, der mit den Muskeln denkt, verscheucht die neugierigen Inder, die einen Blick, auf welchen Bollywoodstar auch immer werfen wollen. Das Herzstück der Anlage ist zweifelsohne der Innenhof mit vier. reich verzierten Toren. Diese vier kleine Tore (der Historiker nennt sie auch Ridhi Sidhi Pol), sollen die vier Jahreszeiten und hinduistische Götter darstellen. Aha, so so. Bei den Toren handelt es sich um



das nordöstliche Pfauentor (mit Pfauenmotiven am Eingang), das den Herbst und den Gott Vishnu darstellt; das südöstliche Lotustor (mit durchgehendem Blumen- und



Blütenblattmustern), dasan die Sommersaison erinnert und Lord Shiva-Parvati gewidmet ist, das nordwestliche Grüne Tor, auch Leheriya-Tor („Wellen“) genannt, in grüner Farbe, die an den



Frühling erinnert und Lord Ganesha gewidmet ist, und schließlich das südwestliche Rosentor mit wiederholten Blumenmustern, die die Wintersaison darstellen und der Göttin Devi gewidmet



sind. Einzig das Lotostor ist in gutem, frisch renoviertem Zustand. Die Farben der anderen Tore sind ähnlich verblasst und auch ziemlich angeranzt, wie der Rest der Anlage. Derzeit bauen sie aber gerade etliche Bambusgerüste auf, daher gehe ich davon aus, dass umfangreiche Renovierungen anstehen. Wer also in den kommenden Monaten nach Jaipur zu fahren gedenkt, dem sein mitgeteilt, dass der Innenhof wohl keine spannende Fotokulisse bietet. Aber eins ist klar, Nischen, Tore und Innenhöfe können sie, keine Frage. Am nördlichen Ende des Innenhofes liegen die hochaufgetürmten Etagen - Privatetagen, die für die Plebejer nicht zugänglich sind.



So ein orientalischer Palast bietet auch ziemlich viele Verlockungen. Ich meine jetzt nicht die dunklen Ecken der Frauengemächer, bevor der geneigte Leser sich jetzt sofort 1000 und eine Nachtgeschchten zuwendet. Anni und ich haben einfach ein Faible für indische Türen und bauliche Detaillösungen. Ich könnte hier sofort einige Türblätter abschrauben, die sich sich einfach gut in meiner heimischen Kemenate gut machen würden.



Anni gefallen da mehr so diese lustigen Schließssysteme, die die metallbeschlagenen Türblätter verschließen und die dahinter liegenden Räumlichkeiten vor dem Eindringen von Ali Baba und seinen 40 Räubern sichern sollen. Gedankenverloren schlendern wir das so durch die wunderschöne Handwerkskunst des frühen 18. Jahrhunderts, als unversehens eine indische



Combo mit Singen und Klatschen anfängt. Leider können wir die Jungs nicht sehen, denn sie verrichten ihr musikalisches hors d'oeuvre im ersten Obergeschoss. Doch das Wimmern und Jaulen dringt uns durch Mark und Bein, dass wir nicht sicher sind, ob es da nicht irgendwo einen Palastfluch oder zumindest eine singende und klatschende Palastmumie gibt. Bonne nuit folks!

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