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AutorenbildIngo

Manchmal ist doch alles Gold, was glänzt . . .

31. Oktober 2023 - Bangkok

KM 8526


Irgendwie fehlen mir immer die Worte, wenn ich aus dem Königspalast in Bangkok komme, besonders aus dem Wat Phra Kaeo. Wirklich, ich weiß nicht wo ich beginnen soll. Erstaunlicherweise, war ich jetzt das dritte Mal in diesem Palast und habe immer das gleiche, sehr angenehme Wetter. Nun ja, heute hocken auch echt viele Mönche, Mantren brummend, zu Füßen des kleinen Emerald Buddhas, der Samaragdbuddha (dazu später mehr), so dass am heutigen Tage bestimmt göttliche Intervention mit im Wetterspiel war. Also, bei angenehm windigem Wetter, mit gut 28 Grad und heiter bis wolkigem Sonnenlicht, finden wir uns am frühen Nachmittag vor dem Königspalast ein, in der Hoffnung, dass die Massen bereits

weitergezogen sind. Glücklicherweise haben die meisten Touristen nicht unseren Zeitluxus und sind daher recht eng getaktet im Abarbeiten der hiesigen Sehenswürdigkeiten. Es gilt scheinbar doch immer noch das allzeit beliebte und gefürchtete touristische Standartkommando, "picture point, 20 minutes!" Vor der frisch weiß getünchten königlichen Mauer warten etliche, vermutlich freiberufliche Guides, offenkundig der englischen Sprache mächtig und versuchen uns ihre Dienste anzudienen. Wir lehnen dankend ab, die Versuche erscheinen auch eher lahm, sodass wir annehmen, das Feld ist für heute durch. Gegen frühen Nachmittag ist auch nicht mehr viel los, verglichen zu morgens, wenn das Besucheraufkommen zahlenmäßig der Tiermigration in der Serengeti gleichkommt. Gut eine chinesische Reisegruppe macht so viel Lärm, wie 26 japanische oder koreanische Reisegruppen, das muss man unbedingt berücksichtigen. Wir bekommen eine Eintrittskarte, die tatsächlich auch noch eine Eintrittskarte ist! Jawohl, gefühlt einen halben Meter lang, in angenehmen Sepiatönen gehalten, zeigt sie schon jede Menge Fabelwesen, sodass man sich gleich wieder dem Thema Geister und Dämonen widmen muss.

Ich passiere, trotz meines Laguiole Messers am Gürtel, umgestoppt den Metalldetektor und muss an einem riesigen Schild erst einmal schlucken, denn jenes Spielverderberschild untersagt aber auch allen filmischen Spass. Keine (Film-)Kameras, keine Actioncams, keine Drohnen, lediglich starre Bilder sind erlaubt. Da sind die Thais ziemlich krass, besonders Drohnen werden hier ziemlich heftig reglementiert. Eigentlich darf ich hier gefühlt nirgendwo unser Fliewatüt benutzen, denn eigentlich ist alles verboten. So nach dem Motto, "Drohnen dürfen nur von 90 jährigen Piloten in Begleitung ihrer Eltern geflogen werden. Die Strafen sind außerdem ziemlich drakonisch, kann bis zu 20.000 US$ gehen. Wir müssen noch unsere Pässe vorlegen, und zack sind wir drin. Lustig ist, dass am Eingang weibliche und männliche Uniformen die Einhaltung der moralisch-respektvollen Bekleidung, dem königlichen Orte gegenüber, überprüfen. Dazu gibt es einen Batikshop mit Elibuxen und Elihemdchen. Und - heute haben die Rekordumsatz gemacht, garantiert Fast jeder zweite westliche Tourist, Männlein wie Weiblein, hatte die schwarzweiße Fludderbuxe oder Hemdchen mit gebatikten Elefanten drauf an. Manchmal weiß ich nicht, was ich sagen soll.

Zur besseren Visualisierung habe ich dem geneigten Leser mal einen Palastplan beigefügt, damit man bei all dem Gold nicht den Überblick verliert. Denn hier ist tatsächlich alles Gold as glänzt! Wenn der geneigte Leser aufmerksam Ingos kleines Geschichtsbrevier verfolgt hat, wird er sich erinnern, dass die Burmesen im April 1765 in Ayutthaya eine ordentliche Abbruchparty gefeiert haben. Im Zuge dieser ausgelassenen burmesischen Feierlaune, ist irgendwie die königliche Kneipe in Ayutthaya zu Bruch gegangen und anschließend muss wohl noch irgendwie eine ordentliche Feuersbrunst entfacht worden sein. Dann war erst einmal Ruhe im Karton, der siamesische König mit Flucht beschäftigt und die Burmesen damit, dass ganze Gold, welches sie einfach von den Chedis in Ayutthaya "untergeschmolzen" hatten, über die Berge zu schleppen. Während also Gras über die schwelenden Trümmer Ayutthayas und über die Bedeutung dieser Stadt wuchs, beschloss ein junger Mann mit dem Namen Phra Phutthayotfa Chulalok (Genau, den Namen muss man sich jetzt merken - wird später abgefragt!), gerade zum König Rama I. befördert, wieder in die Geschichtsbücher aufgenommen zu werden und gab 15 Jahre nach der burmesischen Abbruchparty einen neuen Palast in Auftrag. Nicht weil er ein größeres Schlafzimmer brauchte, sondern um anzugeben, wiederum nicht für sich, sondern für das Volk von Siam. Am 6. Mai 1782 ließ er den Grundstein zu einem neuen Palast auf dem östlichen Ufer des Chao-Phraya-Fluss legen. Danach ging es rund, Sumpfgelände wurde trocken gelegt, bauliche Vorbereitungen getroffen und den ortsansässigen Chinesen wurde ein Umzug schmackhaft gemacht. Ich bin mir nicht sicher, wie dieses Schmackhafte wohl so aussah. Bekannt ist, dass sie vor den Toren der Stadt "eine neue Heimat bekamen" und dass, wo doch ursprünglich Bang Kok eine chinesische Siedlung war. Aha, so so? Am 10. Juni 1782 überquerte Rama I. zeremoniell den Chao-Phraya-Fluss, von seinem alten Palast in Thonburi aus, um seine neue Bleibe offiziell in Besitz zu nehmen. Zunächst war hier alles aus Bambus und Holz, später hat man dann aus dem zerstörten Ayutthaya die Steine rangeschafft und eine knapp 2 Kilometer lange Mauer um die neue Palastanalge gezogen.

Alle Räumlichkeiten stehen dem Plebejer natürlich nicht offen, warum auch, ich lade ja auch nicht Hinz und Kunz in mein Schlafzimmer ein. Aber, der Besuch startet natürlich gleich mit einem visuelle Urknall. Zunächst gelangt man, vorbei an zwei sehr großen und wunderschön restaurierten Wächterfiguren in das Wat Phra Kaeo, das spirituelle Zentrum des Palastes.

Die Wächter machen beide ein Gesicht und es ist nicht klar, ob sie Zahnschmerzen haben oder einen sofort enthaupten wollen, nein wirklich, da ist der Interpretationsspielraum eng. Überhaupt, mit ihren Zähnen stimmt eh was nicht. Gut, spätes 18. Jahrhundert war die Dentaltechnik eher noch in den Kinderschuhen, dass wir über die Hauer, die einen ausgewachsenen Keiler neidisch machen würden, mal hinweg sehen wollen. Wenn man die Wächter überlebt hat, ist die nächste Dschungelprüfung, nicht zu erblinden. Denn man steht vor der sogenannten oberen Terrasse mit einem goldenen Chedi, der als Reliquienschrein dient.

Allerdings blendet dieses Gold bei schrägem Sonneneinfall, dass sie Hälfte meiner Bilder überbelichtet sind. Wie gesagt, hier ist tatsächlich alles Gold, was glänzt! Dahinter, leider heute durch Bauplane verhängt, befindet sich ein Mondop, ein Gebäude mit quadratischem Grundriss, das durch umgebende Säulenreihen an allen vier Seiten, vergrößert erscheinen kann. Es enthält die zentralen buddhistischen Lehrwerke, ist also eine Bibliothek. Das nochmals dahinter liegende Gebäude, beherbergt ebenfalls Bücher, die sogenannte Handschriften-Bibliothek. Drumherum gibt es viel mythologisches Zeug, dessen Erklärungen mich vermutlich zu Michaelsens Band 1-10, Einführung in den Buddhismus, bringen würde, was ich an dieser Stelle jedoch als unzumutbar für den geneigten Leser empfinde. Wir verständigen uns am Besten darauf, das die Figuren sehr schräg sind und vermutlich keine Engagement bei der Augsburger Puppenkiste bekommen würden, aber doch in ihrer ortsgebundenen Ästhetik, einen sehr exotischen Reiz ausüben.




Parallel zur oberen Terrasse, wurde das Königliche Kloster mit dem Tempel des Smaragdbuddhas errichtet. Der kleine grüne Kerl sitzt in der Ordinationshalle, die zu Thailands Plätzen höchster religiöser Verehrung gehört. Der Emerald-Buddha wird übrigens dreimal im Jahr umgewandet, je nach Jahreszeit und durch eine königliche Zeremonie. In der Halle herrscht




ein stetiges Kommen und Gehen, fotografieren ist verboten, da dort aktiv gebetet wird. Durch das geöffnete Fenster ist allerdings das Ablichten des Smaragdbuddhas von außen erlaubt. Natürlich werden dem Material der Figur nur die spirituellen Eigenschaften eines großen Edelsteins zugeschrieben, gefertigt ist die, etwa 66 cm hohe Buddhafigur aus Jade. Es existieren irre viele Geschichten, wie, warum und wieso es den kleinen grünen Buddha nach Thailand verschlagen hat, aber das führt hier zu weit. Bei den Thais ist er super angesagt!

Verlässt man die Ordinationshalle, trifft man wieder auf große Wächter, die aber ebenfalls Zahnschmerzen zu haben scheinen. Irgendwie mag ich diese Figuren sehr, mochte ich schon als kleines Kind. Da fand ich mal eine schlecht kolorierte Abbildung dieser Wächter in einem Bertelsmann Bildband aus den 60ern. Diese Abbildung hat mich von je her fasziniert, warum vermag ich gar nicht genau zu sagen. Anni meint, ich solle mir einen dieser Herren auf die Wade tätowieren lassen . . . Um diese Gebäude stehen Unmengen von Schreinen, Figuren, Gold blitzt



an allen Ecken und Kanten, das es wirklich schwer ist, die gesamte ästhetische Konzeption der Anlage in ein verständliches System zu bekommen. Es gibt förmlich kein Stückchen Baufläche, die nicht irgendwie verziert, vergoldet oder sonst wie gestalterisch oder spirituell belegt ist. Um das Wat Phra Kaeo wurde ein Säulengang angelegt, dessen überdachte Wand in seiner Gesamtheit umlaufend bemalt ist. Szenen aus königlichen Mythen, den Stationen Siddarthar Gautama Wandlung zum Buddha und ich-weiß-nicht-was-noch-alles auf diesen Wandbildern zu sehen ist. Die Fülle an visuellem Input ist gewaltig und wir sind ja nur einige Stunden im Wat Phra Kaeo und haben noch nicht einmal die anderen (zugänglichen) Teilen des Palastes gesehen.






Immer wieder bleiben wir unter einem der vielen schattigen, reich dekorierten Pavillone sitzen und versuchen die gestalterische Elementfülle zu strukturieren. Da der Palast um halb Fünf nachmittags schließt, schlendern wir weiter zu den offiziellen Regierungsgebäuden des Königs. Die Chakri-Gruppe liegt massig im warmen Nachmittagslicht, umgeben von einer sattgrünen Grasfläche. Die Gebäude werden nur noch zu hochoffiziellen Anlässen genutzt und sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Im Vergleich zu den feinen, filigranen und sehr detailreichen Dekoren des Wat Phra Kaeo mutet die 1882 fertiggestellte Chakri-Gruppe wie ein sprichwörtlicher Elefant im Porzellanladen.

Besonders die massiven Gründerzeitanklänge, in Kombination mit den verspielten thailändischen Dachkonstruktionen, führen zu einem irrationalem Gesamtbild der Anlage. Aber vielleicht geht nur mir das so und andere Menschen nehmen diese stilbruchartige Kombination zweier Baumerkmale als spannend wahr. Wer weiß das schon?


Allerdings gefällt mir dieser kleine Pavillon sehr! Fahre morgen früh nochmal hin und hole ihn ab. Er wird zukünftig meine 8 Quadratmeter Dachgarten überspannen und ich denke dass sich mein Jacuzzibecken hervorragend darunter machen wird. Jawohl. Bonne nuit folks








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2 commentaires


Marc Krüger
Marc Krüger
31 oct. 2023

Ich finde die Gründerzeitanklänge als Unterbau interessant, die thailändische Spielart oben drauf, als wenn der Baumeister zeigen wollte: Wir können es detailreicher, ihr könnt machen was ihr wollte, aber wir können es besser. Und doch wirkt es zusammen wie ein Werk, das eine wächst aus dem anderen raus. Spannend, einfach anders.

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Marc Luetjens
Marc Luetjens
31 oct. 2023

KI kann auch Geschichte:

Phra Phutthayotfa Chulalok war der Gründer des Königreichs Rattanakosin und der erste Monarch der regierenden Chakri-Dynastie von Siam (heute Thailand). Sein persönlicher Name war Thongduang. Er bestieg den Thron im Jahr 1782, nach der Absetzung von König Taksin von Thonburi. Er war auch als Rama I. bekannt und wurde als der Gründer von Rattanakosin (heute Bangkok) als der neuen Hauptstadt des wiedervereinigten Königreichs gefeiert.

Er war ein bedeutender militärischer Führer, der Siam vor den Angriffen der birmanischen Konbaung-Dynastie verteidigte und das siamesische Territorium in Südostasien erweiterte. Er förderte auch die siamesische Kultur und die buddhistische Religion, die er eng mit der Monarchie verband. Er starb im Jahr 1809 und wurde im Wat Pho in Bangkok begraben.…

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