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AutorenbildIngo

Korallen, Schlangen und Fussball . . .

17. August 2023 - Krui

KM 2299


Selamat pagi. Heute ist hier alles geschlossen, denn es ist Independence Day. Seit einem Monat sind alle Indonesier aufgefordert, die Straßen und Häuser zu beflaggen. Das erklärt natürlich einiges. Wir haben schon die ganze Zeit gedacht, wie nett es überall in den Dörfern aussieht. Entlang unserer Route durch Java und auch jetzt hier in Sumatra, steht überall Flagge an Flagge. Wir wussten nur nicht, dass ein gewisser staatlicher Zwang dahinter steht. Gut, andere Länder, andere Sitten. Hübsch anzusehen ist es alle mal. Auch wenn das Flattern von Hunderten von bunten Flaggen bei mir zusätzlich das Freisetzen von Konzentrationsressourcen im alltäglichen Verkehr bedeuten . . .

Nach dem Schwimmen und Frühstücken machen wir uns auf den Weg nach Krui. Wie bereits erwähnt, scheint Krui ein internationaler Surfertreffpunkt zu sein. Nie gehört vorher? Irgendwann hat mal eine australische Profisurferin hier einen Wellenritt gemacht und gesagt, "dass es in Krui das klarste Wasser gibt, auf dem sie je gesurft ist!" Das hatte Folgen, denn inzwischen haben wir rausgefunden, dass in Krui jeweils im Juni internationale Surfwettbewerbe stattfinden. Das erklärt die wachsende Infrastruktur entlang des weißen, von Palmenhainen gesäumten Strandes. Es gibt noch die ersten Surfercabanas, Homestays und rudimentäre Hotels der Pionierzeit. Inzwischen sind hier schon ganz schöne Resorts hinzugekommen, wenn auch alles noch in den Kinderschuhen steckt. Ein Geheimtipp ist das hier noch alle mal. Es gibt staatlich subventionierte Flüge von Bandar Lampung für 250000 IR (ca 15€) nach Krui. 30 Minuten Flug im Gegensatz zu mindestens 6-7 Stunden Autofahrt, wenn der Verkehr fließt.

Die kleine, frisch geteerte, Nebenstraße nach Krui, führt durch lichte Palmenwälder, auf der meerzugewandten Seite. Auf der Seite zum Landesinneren sind es mehr so Feucht- bis Sumpfgebiete. Das, was die Inder Backwaters nennen. Ich lasse die Bergziege über den schönen Asphalt fliegen, durch die schattigen Palmenwälder und wieder ins Sonnenlicht. Hinter einer

unübersichtlichen Kurve ereignet sich dann der Unfall. Mir kommt ein Roller mit Küchenaufbau entgegen, der genauso breit ist wie die Bergziege. Gleichzeitig schlängelt sich ein bunt gezeichneter, gut einen Meter langer Sumpfbewohner über den glatten Asphalt. Bremsen geht nicht, ausweichen geht nicht. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass 350 Kg Bergziege, Pilot und Copilot über das arme Reptil ballern, natürlich mit Vorderrad- und Hinterrad. Hoffe, das arme Tier hat es überlebt, wenn auch mit einem mächtigen doppelten Bandscheibenvorfall. Beim Zurückfahren ist es nicht mehr da, gehe davon aus, dass es sich verkrochen hat. Leider sieht man ziemlich viel plattgefahrene Schlangen auf den Straßen hier, wie auch ziemlich große platte Frösche, aber die waren eher in Zentraljava zu finden.

Wir müssen zur Bank, denn in Sumatra ist man eher an Cash interessiert, als an Kartenzahlung. Auf Java ging alles per Karte, hier brauchen wir Bargeld. Anschließend suchen wir ein Café, was wir aber in Krui Downtown nicht finden können. Krui selbst ist eine kleine gemütliche Stadt in Sumatra, der vermutlich eine ziemlich gute touristische Zunft winkt. Die Straße rauf und runter, es gibt einen kleinen Markt, die Bank, die Festwiese,

Bekleidungsgeschäfte und natürlich Schrauberbuden. Die mehr für den internationalen Touristen interessante Gegend, hat sich entlang des Strandes etabliert. Wir finden einen Laden am Strand, an dem Strand, wie wir erfahren. Der Surferstrand, an dem heute nichts los ist, denn erstens ist Ebbe und zweitens nicht genug Wellengang. Auf dem weißen Sand, der alle Tourismusverbände Javas neidisch machen würde, liegen fest vertäut die blauen Fischerboote, mit den unvermeidlichen Auslegern. Uns beiden war nicht klar, dass an diesem Teil der Küste ein vorgelagertes Korallenriff liegt. Jetzt, bei Ebbe, schimmert das Wasser zwischen den Resten des Riffs hell- und dunkeltürkis. Der weiße Sand ist also kein "Gesteinssand" sondern "Korallensand'", was natürlich die Farbe erklärt. Das Riff ist "glattgeschmirgelt" und das, was man sich eigentlich unter einem klassischen Korallenriff vorstellt, ist nicht mehr vorhanden. Anhand der "Überbleibsel" am Strand kann man sich die eigentliche Form aber noch gut vorstellen. Das Wasser ist kristallklar und aufgrund der Farbspiele, schicke ich die Drohne in den Himmel. Was ich einfach an dem "dritten" Auge mag ist, dass man dadurch einen ganz anderen Blickwinkel auf das Land bekommen kann. Erst beim Sichten des Rohmaterials, haben Anni und ich die Farbspiele, Oberflächentexturen und Lichtreflektionen überhaupt erst erfassen können.

Leider latschen alle Surfer über diese Korallenbänke, denn die besten Wellen von Krui sind wohl vor dem Riff. Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass Riffe nicht direkt am Übergang von der See zum Land gelagert seien, aber, scheinbar gibt es Korallenriffe in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen. Werden mich dazu noch mal mehr schlau machen.

Auf dem Heimweg sitzt eine 10 Zentimeter lange, giftgrüne Libelle auf der Fussraste der Bergziege und will mit. Sie ließ sich auch nicht vertreiben oder von diesem Vorhaben abbringen. Als ich meinen Fuss langsam in Richtung Fussraste bewege, steigt sie auf und nimmt auf

meinem Oberschenkel Platz. Heute ist Tag der Safaris? Als ich den Motor starte, macht sie immer noch keine Anstalten sich zu verziehen oder sich mindestens ein Ticket zu besorgen. Erst als ich den ersten Gang einlege, überlegt sie es sich und fliegt von dannen.

Irgendwann nachmittags, als wir so völlig untätig im Pool rumlungern, teilt Nick uns mit, dass es heute viele Programm gäbe. Da seien die Vorfeierlichkeiten zum 17. August, die man, so sagt er, unbedingt mitmachen muss, dann sei australischer Patriotismus gefragt, Frauenfussball WM Australien gegen Groß Britannien und danach gäbe es Gemeinschaftsdinner mit geröstetem Huhn mit Gemüse. Immer dieser Stress. Aber gut, wir sind ja hier nicht nur für Kaffee und Pool. Wir begeben uns ins Dorf, was 200 Meter entfernt von der Villa Samudra liegt. Wir sind die einzigen Deppen, die gelaufen sind, alle anderen haben ihren Roller oder gar das Auto genommen. Auf dem Dorfplatz gibt man sich unbekümmert den Vorfeierlichkeiten hin, ganz im Sinne von Neros Devise Brot und Spiele. Wir kommen gerade rechtzeitig, als das, nun ja, wie nenne ich es Spiel beginnt. Dabei treten mehrere Teams gegeneinander an, deren Mitgliederanzahl ergibt sich aus der durchschnittlichen Länge einer Palme. Mitten auf der

Festwiese hat man einen Palmenstamm festgezurrt, komplett eingefettet und am oberen Ende ein wagenradähnlichen Holzreigen waagerecht befestigt. Daran hängen, wie nennt es das Internet, "precious prices". Das sogenannte Panjat pinang, ein harmloses Wettkampfspiel, findet heute in nahezu allen Dörfern Indonesiens statt. Man "baut" mit seinem Team, eine menschliche Pyramide an dem ultraeingefetteten Palmenstamm auf und das letzte Teammitglied, geschickterweise der Kleinste und Schmalste im Bunde, soll die Spitze erreichen und darf dann gemäß der Anzahl der Teamer Preise abschneiden. Die Stimmung ist unglaublich ausgelassen, es wird geredet, gelacht, Alkohol gibt es keinen (vielleicht verteilt Nick aus seiner Kühlbox das ein oder andere Bintang), daher kippt die Stimmung nicht. Über der gesamten Veranstaltung liegt einfache Gelassenheit und das Mitfiebern für die Teams. Ich zähle insgeheim die Bandscheibenvorfälle der jeweils unteren Teammitglieder.

Um 17 Uhr Ortszeit stehlen Nick, sein angereister Kumpel Damien und einige andere Aussis heimlich von der Festwiese. Fussball WM in Australien, gegen England! Die Stimmung ist gut, Bintang unterstützt, ausgelassen. Aber es herrscht doch Unruhe im australischen Lager, ein bisschen so ist es bei den Engländern, wenn sie Polo gegen Jodhpur spielen (was England zu 99% immer verliert). Wir kommen verspätet und auf meine Frage, "happy" bekomme ich nur "not happy!" zu hören. 1:0 für England. Eine Bar weiter sitzen anscheinend Briten, dort ist die Stimmung ausgelassener. Was steigerungsfähig ist, denn mit jedem Tor der englischen Teufelinnen wird es lauter. Bei uns in der Westkurve herrscht Katzenjammer, aber wir sind gute Gäste und bauen, im Angesicht der Niederlage, alle ein wenig auf, indem wir auf den Stand des deutschen Teams in dieser WM verweisen. Tröstet nicht, denn wir haben ja schon einen WM-Titel vom letzten Mal. Männer sind immer so kleinlich ...

Das gemeinsame Essen ist ziemlich lustig, wir lernen einen indonesischen Gärtnereibesitzer kennen, der uns vieles über Sumatra erzählt, Tipps gibt und irgendwie ein ganz lieber, lustiger Vogel ist. Er transportiert seine Blumen übrigens mit einem restaurierten, sonnengelben T2 Bulli. Spannend war, dass er ursprünglich aus Java stammt, aber im Zuge eines Programms der indonesischen Regierung nach Sumatra kam. Da Java so überbevölkert ist, hat man Sundanesen Angebote gemacht, damit sie nach Sumatra gehen, dass, im Gegensatz zu Java, wirklich leer erscheint. Ein Angebot war bspw., für zwei Hektar Land nach Sumatra überzusiedeln. Er hat das wohl gemacht und hat jetzt in Krui DIE Gärtnerei und im Hinblick auf die vielen, gerade im Bau befindlichen, Hotelanlagen ist er wohl auch gut im Geschäft.

Als wir Richtung Krui fuhren kamen wir an einigen recht seltsamen Dörfern vorbei. Dort standen ziemlich große Häuser an der Straße, mit üppigen Hinduschreinen in den Gärten.

Und unser Gärtnermeister aus Krui berichtete, dass diese Community wohl umgesiedelt wurde. Sie haben die Asche der Vorfahren mitgenommen und daher sind ganze Dörfer in Sumatra hinduistischen Glaubens - mit den Vorvätern im Vorgarten. Ein bißchen wage ich das zu bezweifeln, so nach allem, was ich in Indien im Hinblick auf den hinduistischen Glauben mitbekommen habe. Schrein ja, Grab nein! Aber man weiß es natürlich nicht! Wunder über Wunder des Orients.


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2 comentarios


marc.luetjens
17 ago 2023

Google Lens meint: Die Libelle war ein "Schlanker Blaupfeil", was daran blau sein soll weiss ich allerdings nicht.

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marc.luetjens
17 ago 2023

KI kommentiert nicht: Ich kann nicht sagen, welche Mannschaft besser war, da ich das Spiel nicht gesehen habe und keine persönliche Meinung habe. Aber England hat das Spiel gewonnen. Anmerkung der Redaktion, das Spiel ging 3:1 für England aus.


KI klärt auf: I’m not sure if there is roadkill on Sumatra. However, roadkill is defined as an animal or animals that have been struck and killed by drivers (on Dolly) of motor vehicles1. If you are interested in learning more about Sumatra’s wildlife and the dangers they face, you might find this article interesting 2.

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