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AutorenbildIngo

Es friert . . .

08. November 2023 - Von Mae Sarang über Mae Chaem nach Khan Yuam

KM 9889


Es ist kalt! So richtig. Kurzfristig kommt uns in den Sinn, ob wir nicht die Merinowäsche freimachen sollen. Es sind 23 Grad, wir sind auf 1100 Meter Höhe, durchfahren eine Hochebene auf der sonnenabgewandten Seite eines Berges, eines ziemlich hohen Berges. Da aber schließlich November ist, darf es ja auch kälter werden. Jawohl, dennoch fröstelt es mir gerade etwas in meinem britischen Wachswams. Eigentlich ist heute der erste Tag, innerhalb der vergangenen 4 Monate, wo uns mal nicht mehr, als 30 Grad Celsius das Wasser aus den Poren treibt.

Gefühlt friert es schon heute morgen, als wir Mae Sarang verlassen, es sind nur 28 Grad. Das ist schon bedenklich kühl - zumindest für uns. Der Himmel ist tiefgrau bewölkt und versieht das kleine Städtchen mit einem fahl bleiernen Charme. Richtung Osten liegen hohe Berge, auch Thailands höchster Berg, der Doi Inthanon mit 2565 Meter, den wir aber, zumindest heute, rechts liegen lassen werden. In Mae Sarang sind gestern, gefühlt Hunderte Adventurebike Gruppen aufgelaufen, die heute alle zum Doi hoch wollen. Da wir keinen Neuschwanstein-Effekt wollen, fahren wir 87 Kilometer nach Osten, danach gut 90 Kilometer entlang des Doi Inthanon-Höhenzuges nordwärts und schlußendlich wenden wir uns gegen frühen Nachmittag wieder für knapp 60 Kilometer nach Westen. Dabei werden wir uns zwischen einem 1500 Meter hohen Berg, dem Doi Inthanon, mit 2565 Meter und nachmittags entlang eines 1700 Meter hohen Berges durchschummeln.

Die Landstraße nach Chiang Mai hält schon wenige Kilometer hinter Mae Sarang großes Lansdschaftskino für uns bereit. Steile Berghänge, unübersichtlich bewaldet, stoßen in engen Tälern zusammen, sodass sich das Fahren, zunächst wie das Umrunden versetzter Theatervorhänge anmutet. Leider ist das nicht zu fotografieren, weil man immer nur Urwald sieht. Aber sehr faszinierend, keine Frage. Außerdem haben wir noch Glück, dass die grauen Wolken irgendwie nordwärts wollen und wir daher nach kurzer Zeit Sonnenstrahlen bekommen. Dennoch wird es nicht wärmer, denn inzwischen hat die Bergziege wieder ordentlich Höhenmeter leisten müssen. Die Fahrt vergeht wie im Flug und noch bevor wir uns versehen erreichen wir schon den Abzweig von der Landstraße 108 auf die kleine 1088 nach Mae Chaem.

Wahnsinn, die "kleine, gelbe" Landstraße entpuppt sich, als völlig neu geteerte Kurvenstrecke entlang eines kleinen Flusses, der Mae Nam Chaem. Das Flussbett, nur wenig angefüllt mit halbwegs klarem Wasser, bedingt durch sandigen Boden, dessen rundgewaschene Kiesanteile das fließende Wasser aufwühlen, verläuft für Kilometer parallel zum dunklen Asphalt. In sanften

Schwüngen haben die Straßenbauingenieure die Trasse an die hügelige Landschaft des Hochplateaus angepasst. Der ein oder andere Lastwagen schnauft brummend die kurzen Steigungen hoch, doch sonst ist nicht viel los. Die Sonne wärmt angenehm unsere Rücken, die Temperatur in der Ebene ist etwa 29 Grad. Im Nordwesten hängen die grauen Wolken fest zwischen 1500 Meter und 1700 Metern, dazwischen regnet es Sturzbäche. Es ist interessant, dass wir heute den gesamten Tag immer wieder alle drei Bergspitzen im Blick haben, je nach Position in einer anderen Konstellation. Der rechtseitig liegende Doi Inthanon hat ebenfalls eine wolkenverhangene Spitze. Da so gut wie kein Wind herrscht, bleibt ihm auch ganztägig dies weiße Mützchen erhalten. In Om Mang steht am Ortseingang eine kleine Kopibude. Wir halten

und ordern zwei Eiskaffee. Der Mann in der Wellblechhütte telefoniert und wenig später kommt eine junge Frau auf ihrem Moped angebraust und beginnt unsere Bestellung zu brauen. Und, großartig, ein Eiscappucino mit einem Milchschaum, den man schneiden kann - brauche gleich einen Zweiten. Ins Dorf, fällt die Straße ab, keine 100 Meter sieht man den Eingang zu einer Schule, dahinter Ortsausgang. In der Schule scheint Pause zu sein, fröhliche Kinderstimmen untermalen den allzeit präsenten Gesang der Zikaden. Dann steht die junge Frau vor uns, möchte sich gerne verabschieden, da sie wieder zur Arbeit müsse. Aha, so so. Da hat der Kerl seine Frau von der Arbeit geholt, damit sie für uns den Kaffee zaubert? Krass. Aber es wird noch besser, der geneigte Leser halte sich fest, sie ist Lehrerin an der Grundschule - 100 Meter die Straße runter. Wir starren sie an, erstens, dass sie mal eben aus der Penne zum Kaffeekochen geholt wird und zweiten, dass sie dafür ein Moped benutzt. Nun ja, ein bißchen bin ich schon sprachlos. Überlege kurz, was wohl bei Anni in der Schule los wäre, wenn sie sagt, muss mal eben fürs Kaffeekochen fort. Aha, so so. Dann fragt sie, ob wir uns die Schule nicht ansehen und

die Kinder begrüßen möchten. Wollen wir. ich parke die Bergziege auf dem Schulhof, der aus einer Wiese besteht. Überall verteilt tollen Kinder in blauen Schuluniformen herum. Die Klassenräume sind allesamt offen. Alle machen artig ein Wai, die kleinen Mädels knicksen noch dabei. Das probiere ich demnächst mit meinen auch! Jawohl, erst ein Wai, dann knicksen - Super! 130 Schüler und 10 Lehrer. Alles wie bei uns, vorwitzige Schüler, schüchterne, leise, laute, lachende, verschlossene - kein Unterschied. Stundenpläne, Verhaltensregeln, usw. alles gleich, nur in Blümchenschrift. Nach einer gewissen Zeit hat man sich an uns gewöhnt, die meisten werden neugieriger und beim Foto wollen alle mit drauf. Erstaunlicherweise gibt es wenig Rambazamba auf dem "Schulhof". Es ist laut, aber kein Geschrei, normale Kinderstimmen beim fröhlichen Spiel. Tatsächlich wird mit Murmeln gespielt, Fangen - der Klassiker, oder natürlich Fußball. Als wir mit Hupen vom Hof fahren, wird bis zur letzten Sekunde gewunken. Anni ist immer noch ganz beseelt, das merke ich. Trotz des Helms kann ich ihr versonnenes Lächeln im Rückspiegel sehen.


Die Hochplateaus in dieser Region werden alle gänzlich landwirtschaftlich genutzt. Was allerdings mit den "verdorrten" Mais passiert, kann ich nicht sagen. Ganze Berghänge sehen, aus der Entfernung betrachtet, braun aus. Entweder hat die Regenzeit hier nicht die gewünschte Menge Wasser gebracht und die Pflanzen sind, im wahrsten Sinne des Wortes, verdurstet. Oder, daraus wird Futtermittel hergestellt. Wie dem auch sei, von der plantagenartigen Tomatenzucht, über Mais, Getreide, Zuckerrohr, Manjok, Wassermelonen, allerlei Gemüse, hier gibt es alles.

Die Bergziege muss heute richtig arbeiten, da die Straße uns immer wieder in die Täler führt und anschließend steil bergauf. Wir pendeln nahezu den ganzen Tag zwischen 500 Metern und 1200 Metern hin und her. Der Regen hängt immer noch an unserer linken Seite fest, zwischen den Gipfeln des Doi Khun Bong und dem Khao Om Phai. Bisher hatten wir Glück und konnten die

Regenfront immer umfahren. Kurz vor Mae Chaem flacht die Landschaft wieder auf ein hügeliges Plateau ab, das Bauern intensiv zum Reisanbau bewirtschaften. In breiten, sanft abfallenden Terrassen, beginnt hier in wenigen Tagen die 2. Reisernte des Jahres. Wie kann es auch anders sein, es fasziniert mich. Obwohl wir ja nun schon elendig viele Reisfelder gesehen haben, es fasziniert mich. Natürlich haben die Macher dieses Feldes auch wohlweislich ein paar dekorative Kokospalmen hinzu gepflanzt, auf das der fotobegeisterte Farang (so wird der weiße Fremde in Thailand genannt), völlig in Verzückung gerät. Aber ich muss mich loseisen, denn über



Mae Chaem hängt eine fette graue Wolke fest, die zwar noch nicht regnet, aber es sieht bedrohlich danach aus. In einem Cafe warten wir eine Stunde ab, ob sich die Wolken entleeren oder nicht. Beim Kaffee stellen wir fest, dass unsere Kambodscha Visa gekommen sind und wir die Papiere für die Bergziege fertig machen lassen können. Es lebe die digitale Welt, jawohl.

Da der Regen nicht kommen will, fahren wir weiter, es sind noch 100 Kilometer bis nach Khun Yuam und wir müssen rückseitig an einem 1700 Meter hohem Gipfel vorbei.

Die Strecke ist jetzt so richtig anspruchsvoll zu fahren, da wir tatsächlich die 100 Kilometer fast ausschließlich bergauf oder bergab fahren. Dabei ist alles drin, Haarnadelkurven am Berg im ersten Gang oder Schußfahrt im Fünften. Dazu kommt, dass derzeit Kohlernte ist und gefühlt Hunderte Pickups, schwer beladen mit Kohlköpfen, uns verfolgen oder verzweifelt versuchen

uns zu entfliehen. Mehrfach liegen in Kurven harmlose Kolhköpfe, schnöde hingemordet von verantwortungslosen Fahrern, die zu ruckartig in die steilen Kurven brettern. Und - um einem unerwartet auftauchenden Kohlkopfroadkill, elegant, und natürlich in letzter Sekunde im Scheitelpunkt einer Haarnadelsepentine auszuweichen, bedarf es höherer Motorradfahrkunst. Jawohl, dass musste hier mal erwähnt werden. Wer gerne sehr, sehr kurvige Strecken fährt, dem sei dieser Teil der Landstraße 1263 empfohlen. Neben der herausfordernden Streckenführung, ist irgendwie interessant, dass man innerhalb von Minuten durch verschiedene

Vegetationszonen wechselt. Auf den Höhenpunkten der Straßen ist der Bewuchs eher "europäisch", Blatt und Nadelhölzer, und tief unten im Tal, herrscht von der Bananenpflanze über Bambus, Kokospalmen und riesige Akazien an Vegetation so ziemlich alles im Überfluss, was die Tropen vegetativ zu bieten haben. Sehr spannend und auch richtig abwechslungsreich. Das war eine richtig schöne Reiseetappe.

Zum Abendessen finden wir uns auf dem Nachmarkt von Khun Yuam ein. Da gerade das Sonnenblumenfestival gefeiert wird, die blühen hier gerade alle, futtern wir uns natürlich wieder überall durch. Spieße mit Fisch und Fleisch, frische Nudeln, Suppe, Kokosnussaft, göttlich. Wir haben bestimmt für 250 Bath hemmungslos zugeschlagen, 6,50€, mal großzügig gerechnet.

Neben dem sauguten Essen, ist so ein thailändischer Nachtmarkt einfach auch gut für die ein oder andere Kuriosität. Was so ein dampfender Dino da zu suchen hat, ist mir schleierhaft. Anni meint nur, erfahrungsbedingt, "Dinos gehen immer!" Gut, ich bin nicht Zielgruppe. Zu späterer Stunde jedoch, drängeln sich aber dann schon etliche junge Herren und Damen um das rauchende Fossil. Bonne nuit folks.



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Marc Luetjens
Marc Luetjens
Nov 09, 2023

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