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  • AutorenbildIngo

Die Stadt der Schönheit . . .

Aktualisiert: 16. Mai

12. Mai 2024 - Lalitpur

KM 22.108


Uff, das Internet in unserem Hotel ist super grottig . . . Aber, ich will es versuchen. Vielleicht gibt es weniger Bilder. Gestern Abend habe ich versucht die Bildergalerie zu aktualisieren, ok, war einen Versuch wert. Nun gut, wir sind in Lalitpur angekommen, genauer gesagt in Patan. Das liegt zwar nur 7 Kilometer südlich von Kathmandu, aber es war immerhin mal ein eigenes Königreich. So mit allem drum und dran: Einem Palast, einem Durbar-Square und einer Kumari - der geneigte Leser erinnert sich, dass ist so eine minderjährige, vormenstruierende Mädchengöttintalejustellvertreterin, die nirgends zu Fuß hingehen darf. Doch ich greife vor.



Der Hotelier in Thamel lässt uns schweren Herzens ziehen. Doch es hilft nichts, wir wollen noch etliches im Kathmandutal sehen. Thamel ist zwar angenehm für die Komfortzone des Bleichgesichts, zumindest im Angesicht von westlich, laff gewürzter Nahrung und einem Mindestmaß an müll- und geruchstechnischer Ertragbarkeit. Unsere Wanderungen durch die verschiedenen Viertel von Kathmandu Downtown, bringen unterschiedlichste Dinge zu Tage. Jenseits von Thamels Bleichgesichterhochburg spielt sich „normales“ nepalesisches Leben ab. 1,4 Millionen Menschen leben inzwischen im Großraum Kathmandu und täglich werden es mehr. Viele Häuser haben gar keinen Wasseranschluss und der tägliche Wasserbedarf muss durch den Gang zum öffentlichen Brunnen gedeckt werden. Frauen und Kinder, die mit alten Farbeimern zu den Hitimangas der einzelnen Viertel pilgern, sind hier ein Bild der Normalität. Als wir gestern im Taxi saßen, sind wir außerdem durch das Viertel der Gerber gekommen. Ich muss zugeben, dass war handwerkstechnisches Neuland für mich, auch geruchstechnisch. Natürlich weiß ich, theoretisch zumindest, über diesen Beruf Bescheid. Aber, dass mal live am Straßenrand zu sehen, war beeindruckend. Leider konnte ich das nicht fotografisch festhalten, doch das Abladen der Felle, mit blutigen Innenseiten, wäre schon schön kontrastreich gewesen. Da steht also ein großer LKW am Straßenrand, keine zwei Meter vom Fluss Bagmathi entfernt. Der Bagmathi trennt übrigens Kathmandu und Lalitpur voneinander, zumindest



verwaltungstechnisch. Die Gerber bekommen die Felle der frisch geschlachteten Tiere hier angeliefert. Da verlädt man in der prallen Sonne die „frische“ Ware und in den angrenzenden Hütten werden die Folgeprozesse vorgenommen. Der Gestank ist bestialisch, dennoch scheinen alle Passanten hier an den Gestank gewöhnt zu sein, denn das Alltagsleben läuft völlig normal ab. Neben der Gerberhütten sind kleine Läden, die Lebensmittel oder auch Kleidung, bis hin zur Bettwäsche anbieten. Vor den Läden hocken die Besitzer auf niedrigen, buntgefärbten Hockern und schauen in die Gegend, ob sich nicht ein Kunde zu ihnen verirrt. Genau, lieber Leser, diese Struktur bestimmt den Arbeitsrhythmus in Kathmandu. Laden öffnen, Ware an den Türblättern aufhängen und vor dem Geschäft auf dem „Gehsteig“ kundenwirksam anrichten, entstauben, Hocker rausstellen und auf Kunden warten. Ist nicht nur ein Arbeitsrhythmus, ist außerdem auch ein Lebensrhythmus. Das Entstauben ist übrigens immer unser Highlight. Da steht man in einem Laden, kauft bspw. eine verpackten Mangosaft und der Besitzer wird, um nochmal die Wertigkeit seines dargebotenen Produkt zu unterstreichen, mit einem fiesen Läppchen auf das unschuldige Tetrapack einschlagen. Das führt meist zu einer großen Staubwolke, die sich dann auf anderen, sehr wertigen Produkten niederlässt. Doch diese „schlagende“



Läppchenhandbewegung ist ein überregionales Reinigungsritual des Orients. Jawohl, wahlweise geht es auch mit einem kleinen Bambusstab, der mit flauschigen Federn beklebt wurde. Nun hockt da der Geschäftsinhaber vor seinem 3 Quadratmeter Store und schaut in den Gegend, bis ein Kunde mit Auftrag droht. In der Zwischenzeit ballern - gefühlt - 50000 Zweiräder, Taxen, Busse und LKWs durch den tiefen Straßenstaub und nebeln alles und jeden ein, der sich in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn befindet. Das stört niemanden, animiert auch nicht zu irgendwelchen Handlungen, denn dem Kunden kann man schließlich das Produkt, durch reinigende Schläge, wie einen Phönix aus der Asche präsentieren. Der Kenner kauft natürlich nix, was an der Ladentür hängt, schon gar keine Kleidung, sondern wird immer in die Tiefen des Shops gehen und Neuware verlangen. Die Ausstellungsstücke sind derartig



verblichen und verstaubt, dass besonders die nepalesischen Trachten anmuten, als würde man im örtlichen Museum eine Robe aus vergangenen Jahrhunderten bestaunen. Für uns ist die Vorstellung, dass da einer vor seiner kleinen Damen-Boutique hockt, während eine Tür weiter „frische“ Lederwaren verarbeitet werden, eher befremdlich. Das hors d’œuvre von vergammeltem Fleisch, dass an unbearbeiteten Fellen rumhängt, die notwendigen Chemikalien, wie Gerbsäure oder natürlich auch die Rückstände vom Reinigen der Felle, wird zusammen das olfaktorische Highlight des Viertels sein. Da wir im Stau stehen, können wir ein paar Minuten lang wenigstens den hiesigen Fachkräften für Lederherstellung und Gerbereitechnik, beim Entladen der rohen Tierhäute zuschauen. Wir hatten schon gedacht, dass der Bagmathi bestialisch stinkt - wirklich, wenn man da eine Brücke überquert, muss man schon mal die Luft anhalten, doch über den Gassen des angrenzenden Viertels hängt der Hauch von Verwesung.



Der geneigte Leser denkt jetzt bestimmt, was für Weicheier ihr Zwei doch seid. Das stimmt, denn unser Lebenskontext ist so weit von all diesen Dingen entfernt, dass ich immer wieder mit Neugierde auf diese Lebensbereiche hier schaue, die bei uns eher im Verborgenen ablaufen, um nicht die Wohlfühlästhetik unserer Zivilisation zu stören. Wie häufig hier am Straßenrand geschlachtet wird, Messer raus, ansetzen, einen tiefen Schnitt und ausbluten lassen. Spannend. Direkt neben der Bushaltestelle, an einer vielgefahrenen Brücke oder einem sonstigen Verkehrsknotenpunkt. Stelle mir gerade vor, wie jemand, Ecke Warendorf Straße und Kaiser-Wilhelm-Ring, eine Ziege ausbluten lässt . . . Oder in Bhaktapur, wo wir gerade am Schlachter des Viertels vorbei kamen und er die Ziege „vorher“, immerhin (!), ambulant „betäubte“, mit einem Viertelpfünder auf den Kopf. Alleine das Geräusch dazu, lässt Raum für Interpretation in



meinem Hirn! Oder eine weitere Begebenheit, die hier normal zu sein scheint. Wir erreichen den Stadtkern von Lalitpur und an einem Hitimanga ist ein Menschenauflauf. Die Municipalpolizei ist schon da und nimmt den Sachverhalt auf. Ein alter Mann, zumindest sah er alt aus, ist vermutlich gerade am Brunnen verstorben. Da liegt die Leiche in der Sonne, alle stehen drum herum, der Polizist schreib wichtig etwas auf einen Block und Straßenkinder toben drumherum. Befremdlich, doch hier vermutlich eine eher alltäglich Situation. Wenn einer eine Reise tut . . . In den vergangenen Monaten haben wir viele, für uns häufig befremdliche Erlebnisse gehabt, die uns aber auch im höchsten Maße erden. Unser Blickwinkel auf unseren eigenen Lebenskontext, erfährt dabei immer wieder „Kurskorrekturen“. Wir nehmen so viele Dinge mit, nicht nur Holzmasken, bevor der geneigt Leser schmunzelt, die uns zukünftig daheim viele Aspekte des alltäglichen Lebens, anders sehen lässt.

Doch zurück zu unserer Taxifahrt nach Lalitpur. Das Taxi ist super klein, Marke Tata und ich habe richtig Angst, dass wir uns und unser Gepäck nicht hinein bekommen. Zur Veranschaulichung - ein "Oppel Corsa“, wie man im Pott sacht, ist groß dagegen. Wir haben unser Gepäck noch im Nirvana (-Hotel) wiegen können und haben beide ungefähr 25 Kilogramm. Kein Wunder, denn alles, was vorher in den Mopedkoffern nach Asien kam, muss jetzt mit in Sack und Pack, neben Holzmasken und Gartengeräten. Wir haben die gefakten XXXXL North Face Skitaschen angeschafft, die in Thamel an jeder Ecke zu bekommen sind. Beide sind nahezu voll und als das Taxi auf den Hof fährt, muss ich schlucken. Mit Quetschen, Drücken und Stauchen geht es aber. Meine Knie stehen auf Höhe meiner Ohren, als ich mich auf den Vordersitz schraube. Mein Gott ist das Auto klein. Der Fahrer ist halb so groß und halb so breit wie ich, deshalb haben wir vermutlich fahrtechnische Schlagseite. Für die 7 Kilometer benötigen wir gut 50 Minuten, denn im Großraum Kathmandu sind wieder mal alle Piloten unterwegs, die unterwegs sein könnten! Wenn man den Fluss überquert, ändert sich auch schlagartig das Stadtbild. Wer was auf sich hält, der wohnt in Lalitpur und nicht in Kathmandu. Während dort die Gassen so eng sind, dass manchmal nicht einmal ein Fahrradlenker in seiner Breite hindurch passt, regiert südlich des Bagmathi, bautechnische Großzügigkeit. Hier gibt es



Espressobars, Boutiquen - so richtig mit Glastür und Markenprodukten, ausgefallene Restaurants und natürlich Villenviertel. Die meisten NGOs, Botschaftsangehörigen, internationale Schulen oder auch UNO-Organisationen residieren in Lalitpur. Der Verkehr ist anders, weniger hektisch, was vermutlich auch daran liegt, dass die Fahrer großer BMW-, Mercedes- und Bentley-Karossen, eine nicht unbegründete Angst, vor dem Verschrammen des exklusiven Kotflügels haben. Als wir die Leiche am Hitimanga passiert haben, ändert sich das Stadtbild wieder gewaltig und ich verstehe, warum die Fa. Tata derartig kleine Kleinstwagen produziert. Die gepflasterten Straßen werden zu engen, einspurigen Gassen, wo der kleine Tata so gerade durchpasst. Kommt uns ein Fußgänger entgegen, hält der Fahrer an, um ein gefahrloses Vorbeiquetschen des Passanten zu gewährleisten. Der Stadtkern von Lalitpur, Patan genannt, besteht aus rot geklinkten Fassaden, mit reich verzierten Holzfenstern. Ich habe gelesen, dass Patan schon im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet wurde und mit damals 100.000 Einwohnern, auf Platz 10 der „weltweit“ dichtbevölkersten Städten gehörte. Heute ist es geruhsamer hier. Knapp 300.000 Einwohner sichern Lalitpur/Patan den vierten Platz in Nepals Liste großer Städte. Über die Namensgebung kann ich mir nicht so richtig einen Reim machen. Eigentlich heißt die Stadt Lalitpur, was wohl übersetzt, „Stadt der Schönheit“ heißt. Außerdem wird es auch noch Manigal genannt und der Name Patan spielt auch noch eine Rolle. Das werden wir rausfinden! Der Stadtkern wird dominiert von Tempeln, Tempeln, Tempeln. Unser Hotel liegt direkt am Durbar-Square, also hinter dem sehr alten und baufälligen Gebäude der Tourist Police. Zwei niedrige Eingänge ermöglichen ein Zugang, den wir mit der Bergziege niemals hätten fahren können, denn unser Lenker ist zu breit für die Durchgänge. Unsere Reisetaschen bekommt man auch nur der Länge nach hindurch und das ich den Kopf einziehen muss, ist hier ohnehin selbstverständlich. Für die kommende Woche sind wir hier in einem



kleinen, sehr schnuckeligen Hotel, von dessen Dachterrasse aus, man gut auf den Durbar-Square schauen kann. Schon bei der Durchfahrt wird deutlich, dass die Uhren hier ganz anders gehen. Man sagt, dass die Menschen in Kathmandu eher an „Reichtum und Macht“ interessiert sind (kein Witz, habe ich gelesen!) und die Menschen in Lalitpur, eher an den „schönen Dingen des Lebens“! Aha, so so. Wir dürfen gespannt sein. Der Stadtkern weiß nicht genau, was er will, so viel ist mal sicher. Manches Haus hat in seinem Restaurierungszustand, einen unübersehbar musealen Charakter und direkt daneben, „haust“ sprichwörtlich die Familie Flodder. Tür an Tür, sozusagen. Lalitpur ist auf jeden Fall ein Zentrum für Handwerkskunst, so viel ist mal sicher. Entlang der Gasse zum Hotel, starren uns überdimensionierte Buddha- und Shivafiguren hinterher, das grelle Tageslicht auf ihrem blank poliertem Messingflächen reflektierend. Sauberkeit und baulicher Zustand der Altstadt ist auf jeden Fall besser, als das überbevölkerte Gewirr, doch ziemlich maroder Gassen Kathmandus. Aber, dass ist alles nur ein erster Eindruck. Die spirituelle Ausrichtung Patans wird aber ebenfalls schon bei der Anfahrt deutlich, denn irgendwie steht in jeder Ecke, auf die zufällig mein Blick fällt, irgendein Schrein, ein Tempel mit Pagodendach oder eine kleine Stupa. Im Gegensatz zu Kathmandu, wo es etwa 90% Hinduisten gibt, hält sich in Patan das Religionsverhältnis von Buddhisten und Hindus bei gut 50/50. Was



auch an einer größeren Gemeinde Exiltibetern liegt, die nicht in Bodhnath lebet, sondern hier nach Patan kamen. Doch zurück zu Lalitpur. Der erste Gang durch die Gemeinde verzerrt etwas, denn gestern war wieder ein riesiges Tschingbummrassatäterää im Gange, dessen Sinn uns keiner so richtig erklären konnte. Doch alle hatten Spass! In den Gassen herrschte dichtestes Gedränge, die Damen des Ortes waren aufgedonnert und hockten in Pulks auf den öffentlichen Flächen und warteten auf den Event. Schwarz uniformierte - königliche - Wachsoldaten, die tragen alle übrigens gelbe Socken zu ihren schwarzen Uniformen, marschierten mit ihren Holzgewehren und von Trommelwirbeln begleitet irgendwohin, wo es so voll war, dass wir nicht mehr hinterher kamen. Doch die sonst eher beschauliche Atmosphäre in Patan, sagt uns sofort zu. Nun gehen wir essen, japanisch, denn die Nepalesen lieben japanische Küche. Wir auch. Vor allen Dingen ziehen die Köche in diesen Restaurants, Sojasoße dem Chiliöl vor. Ich auch, übrigens. Bon appétit und bon nuit folks!



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