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Die Spitze des Eisberges . . .

16. Mai 2024 - Von Lalitpur über den Mount Everest zurück nach Lalitpur/Patan

KM 22.108


Als das Flugzeug durch den hochliegenden Dunst stößt, taucht auf einmal eine Kette schneebedeckter Bergspitzen, schwer umwölkt auf und schlagartig ist Ruhe im Flugzeug. Die Morgensonne steht bereits hoch am Himmel und im Gegenlicht verwischen die Konturen von verschneiten Gipfeln und Wolkenmeer. Der Langtang Lirung (7234m) und der Shisha Pangma (8013m) gleiten langsam an uns vorbei . . .



Wo fange ich an. Der Morgen wirkt noch ziemlich stark nach . . . Wir haben einen Everest Flug gebucht. Es gibt mehrere Möglichkeiten in diese unwirklich Gegend um den Berg zu gelangen, den die Nepalesen Sagarmatha nennen und die westliche Welt - Mount Everest. Die eine Möglichkeit ist natürlich ein Trekking zum Everest-Base-Camp zu machen, was dann über einen Flug mit einer Mickey Maus Maschine von Nepal Air zu bewerkstelligen wäre. Doch, der Landeanflug auf Lukla gehört ja nicht zu den populärsten Manövern von Nepal Air. Hatte ich erwähnt, in irgendeiner Depesche, wenn ich mich richtig erinnere. Die zweite Möglichkeit ist, einen Hubschrauberrundflug zu buchen, entweder als Einzeltour, Kosten für 4 Stunden 5.000 US$, oder als Gruppe mit bis zu 5 Personen, für 1.350 US$ pro Nase. Dabei fliegt der Heli morgens gegen 6 Uhr nach Palimpalim, konnte mir den Namen nicht merken, wo Benzin abgelassen wird und die Gruppe sich teilt. Der eine Teil muss zuerst 50 US$ latzen, weil der Heliparkplatz und das dazugehörige Hochgebirgshotel, in der Mount Everest Conservation Area liegen. Macht 50 US$, wer rein fliegt muss genauso dafür blechen, wie der, der einwandert! Aha, so so. Während nun der Heli mit einem Teil der Gruppe Richtung Base Camp fliegt, kann der andere Teil der Gruppe frühstücken, für 35-40 US$ pro Person, in jenem Hochgebirgshotel. Erwähnt wird von den Veranstaltern, dass es möglicherweise noch zusätzliche Kosten gibt, wozu sie sich aber, trotz dezidierter Nachfrage, nicht äußern wollten. Nach 40 Minuten, in



Worten, vierzig Minuten, kommt der Heli zurück, wirft die erste Gruppe am Frühstückstisch ab und nimmt die andere Gruppe auf, um wieder Richtung Mount Everest zu verschwinden. Danach, also erneut 40 Minuten später, fliegt die ganze Truppe nach Lukla zur Tanke, damit der Rückflug nach Kathmandu nicht in einem Seitental der nepalesischen Schweiz, also in der Region um Jiri, ein jähes Ende findet. Die dritte Möglichkeit zum Mount Everest zu gelangen, ist ein Rundflug in einer kleinen Maschine, der, mit Flughafentransfer 250 US$ pro Nase und Maus kostet. Natürlich hat schon von je her das Helifliegen mein Herz besonders mit Freude erfüllt. Nie vergessen sind meine Natoübungssternstunden im britischen Puma, einem aluminiumbasierten Leichthubschrauber, der einem, im bodennahen Konturflug, schon mal das, in den Oxford Barocks eingenommene, englische Frühstück, die Speiseröhre hochtreiben konnte. Doch irgendwie hält uns die Vernunft zurück, mal eben gut 3000 US$ auf den Tisch zu legen, besonders, wo es gerade mit der Wettervorhersage in Nepal mehr so zu geht, wie beim Orakel von Delphi. Nichts genaues weiß man nicht! Wir sollten gestern eigentlich blauesten Himmel haben, hatten wir auch, ungefähr bis 13:30 Uhr, dann kam unangekündigt Blitz, Donner



und Sturzregen. Während ich hier in meiner Hotelnische, am depeschentechnischen Marterholz sitze, brummelt schon wieder ein Gewitter über Patan, obwohl das Orakel von Kathmandu, wolkenlosen Himmel verkündete.Wettertechnisch ist hier alles drin! Wir haben übrigens in Thamel einen Franzosen kennengelernt, der sich mit einer Royal Enfield von Pokhara aus aufgemacht hat, um nach Muktinath zu fahren. Auf unsere begeisterte Erzählung hin. Angekündigt waren 6 Tage blauer Himmel, wolkenlos und gar angenehme 8 Grad plus. Gestern Abend bekamen wir ein kurzes Video aus Mukthinath - Regen, Nebelschwaden und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Auch die Sprachnachricht enthielt so Phrasen wie, „riding the road was like hell“, was auch immer das bedeutet? Das Video zeigt außerdem indischen Pilger, die alle in so Op-Grüne Einweg-Plastik-Regenumhänge gehüllt waren und wie die 7 Zwerge auf die Treppe zu stiefelten, die die verbliebenen 50 Höhenmeter zu den 148 Quellen führt. Daher ist uns das Witterungs-Preis-Leistungsverhältnis für einen Helieinsatz nicht ganz geheuer, denn das Wetter kann hier in Minuten umschlagen. Wir verschieben dieses Abenteuer auf einen weiteren Nepalaufenthalt. Inzwischen haben ich etliche Anfragen zu Nepal bekommen. Wer wirklich Nepal genießen will, der sollte unbedingt im November/Dezember herkommen, denn dann hat man tatsächlich die beste Sicht auf den Himalaya. Auf die anderen Sightseeing-Motive vermutlich nicht so, denn dann ist Hochsaison und es ist wesentlich voller, als jetzt gerade. Alles in allem, haben wir mit der Witterung riesig Schwein gehabt, besonders mit unserem Ritt nach Muktinath durch das Gandaki Tal.



Aber zurück zum Mont Everest. Gestern morgen meldet die Wetterfee für heute, nur leichte Bewölkung im Everest Gebiet, sodass wir unseren Hotelier ansprechen, der alles organisiert. Am frühen Nachmittag liegen unsere Tickets für Buddha Air bereit, mit der Bitte, sich um 05:15 Uhr am heutigen Morgen in der Lobby einzufinden. Der Rest wäre organisiert. Wir machen einen Banküberfall, da man diese Dinge häufig hier nur Cash begleichen kann.

Um 4 Uhr trötet unser Wecker erbarmungslos in mein abgeschaltetes Unterbewusstsein, was Schwierigkeiten hat überhaupt den Systemeinschaltknopf zu finden. Um 5 Uhr verlassen wir unsere Kemenate und wanken durchs Treppenhaus. Der Geruch im Flur erinnert mich übrigens immer an Österreichurlaube. Treppe und Wände sind mit Holz vertäfelt, was einen olfaktorischen Hauch von österreichischer Berghütte oder einer aufgeheizten Sauna verströmt. Auch Abends, wenn wir vom Zug durch die Gemeinde zurückkommen, haftet dem aufgeheizten Holz dieser Saunageruch an. Wir sitzen gestiefelt und gespornt in der Lobby, als um 05:10 Uhr unser Fahrer vor dem Hotel eintrifft. Die Luft ist kühl, sehr würzig und die leichte Rötung des wolkenlosen Himmels, kündet vom Aufgehen der Sonne. Patan schläft noch, so nutzt der Fahrer die Gelegenheit Nikki Lauda Konkurrenz zu machen und lässt es in den Gassen ordentlich krachen. Wir brauchen keine 10 Minuten zum Domestic Terminal.



Er weist uns den Weg zum Terminal und verschwindet. Aha, so so. Also fragen wir uns durch. Wir müssen zu Buddha Air an den Schalter, bekommen eine Bordkarte und ab durch die Sicherheitsschleuse. Mit einem Bus werden wir, als einzige Bleichgesichter in einer Gruppe indischer Touristen, aufs Rollfeld gekarrt, zu einer Batterie von Buddha Air Vögeln, deren Fenster gerade noch einmal gewaschen werden. Sehr schön, denkt da der Fotograf in mir. Inzwischen steht auch die Sonne über den Bergrücken des Kathmandutals und taucht die Metropole Nepals in goldenes Licht. Die Maschine fasst vielleicht 50 Personen, denn nur die Fensterplätze werden besetzt. Auf dem Hinflug können alle, die links sitzen, den Großen Himalaya sehen, dann wird am Everest eine Schleife geflogen und auf dem Rückweg nach Kathmandu, haben die Rechtssitzer das Vergnügen. 06:15 Uhr geht es ruckizucki aufs Rollfeld,



Starterlaubnis und das Maschinchen taumelt dem Himmel entgegen. Damit der geneigte Leser eine Vorstellung davon bekommt, würde ich mal sagen, es ist der Typ Flugzeug, von dem man hofft, dass er größer wird, wenn man sich ihm nähert. Also, wir sitzen in einem sogenannten Turboprop-Regionalverkehrsflugzeug. Aha, so so. Der Pilot dreht eine Ehrenrunde über Kathmandu, wobei der Durbar-Square, wie auch die große Stupa von Bodhnath, wunderschön im Morgenlicht unter uns liegen. In gerader Linie fliegen wir Richtung Nordwesten, überqueren die Provinz Dolakha, steigen immer höher durch den Morgendunst, bis wir ungefähr auf 32.800 Fuß Flughöhe angelangt sind, was etwa 10.000 Meter entspricht. Dann tauchen die beiden Gipfel von Langtang Lirung (7234m) und Shisha Pangma (8013m) auf . . .



Was soll ich sagen. Ich weiß nicht wirklich, wo ich anfangen soll. In Anbetracht von so viel majestätischer Erhabenheit, stellt man immer wieder fest, welche Bedeutung man im Kosmos hat. Man schrumpft zusammen und das Wechselbad der Emotionen überrollt mich, in der exakten Art und Weise, wie es mir schon beim Anblick der schneebedeckten Gipfel von Annapurna und Dhaulagiri ergangen ist. Die Topografie, der unter uns liegenden Welt verschwimmt zu einer unwirklichen Matrix, zwischen betörender Faszination und schroffer, lebensverneinender Urgewalt. Keine Straßen, keine Siedlungen, nichts mehr. Die unteren Hänge der verschneiten Sieben- und Achttausender, bestechen durch ihre Leere, Weite und natürlich auch Höhe. Welche Leichtigkeit in der Luft und welche Mühen am Boden.



Wieder einmal mehr kommen mir diese Bilder in den Sinn, wo Menschen sich in ihrer Hybris dazu versteigen, diese Berge zu erklimmen. Damit meine ich jetzt nicht, „richtige Bergsteiger“, sondern so Menschen, denen ihre soziale Möglichkeiten den Floh ins Ohr gesetzt haben, dass wäre ein guter Kick fürs Ego. Vorgestern kam die Meldung, dass ein 60 jähriger Franzose, aufgrund massiver Höhenkrankheit, beim Erklimmen des Mount Everest verstarb. Außerdem ist dabei ein Sherpa ebenfalls ums Leben gekommen. Am selben Tag sind zwei Bergsteiger auf dem Makalu (86463m) verschwunden, oder der Kontakt ist abgerissen, weil sie ihr Funkgerät im Zelt gelassen haben?!? Eine Mount Everest Lizenz kostet 11.300 US$ und allein dieses Jahr hat man bereits 59 Lizenzen ausgegeben. Hier häufen sich die Bilder von „langen Schlangen“ unterhalb des Everest-Gipfels, die alle auf den 2 minütigen Picturepoint warten und dabei buchstäblich über die zu Eis erstarrten Leichen, am Everest verunglückter Menschen zu klettern.


Der markante Choba-Bhamre, mit seinen knapp 6000 Metern taucht am Horizont auf und kurz danach die beiden Siebentausender Gauri-Shankar und Mellungtse. Richtung Osten nimmt die Bewölkung zu, doch die tief unten liegenden, zerfurchten Täler und die weißen Gipfel, ziehen meine Augen magisch an. Der Farb- und Lichtkontrast zwischen Gipfel und Tal wird immer intensiver, denn der Dunst ist einer Wolkenschicht gewichen, die wie eine dünne, weiße Porzellanscheibe über den Sechs- und Siebentausendern liegen. Chugimago (6297m), Pigferago (6620m) und Numbur (6957m) liegen bereits im Schatten, währen der Achttausender Cho-Oyu (8201m) und der Siebentausender Gyachung Kang (7652m) daneben, uns so gerade noch Einblicke auf ihre verschneiten Spitzen gewähren. Der Pilot legt die Maschine nach rechts und zieht einen weiten Bogen. Im letzten Augenblick schaut die Spitze des „Eisberges“, äh, des Mount Everest, aus der sich verdichtenden Wolkendecke. Sie zeichnet sich nach Westen dunkel gegen das östliche Sonnenlicht ab, Pumori (7161m) und Nuptse (7855m) liegen tief verborgen im Wolkenfeld, doch der Lhotse (8516m), gewährt uns einen Wimpernschlag lang den Blick auf sein Antlitz, im Schatten des 8848 Meter hohen Sagarmatha, des Mount Everest. Bonne nuit folks!



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