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  • AutorenbildIngo

Die letzte Bergetappe . . .

27. April 2024 - Von Jiri nach Panauti

KM 22.065


Laut Wetterbericht soll es sich im Laufe des Tages zuziehen und vielleicht sogar ein wenig regnen. Die Bergziege ist schon relativ früh gepackt, steht vor dem Hotel und wir wollen noch eben frühstücken. Doch wir haben - sprichwörtlich - die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Selbiger sitzt auf einmal neben uns und schon sind wir im Gespräch vertieft. Er ist fasziniert von unserer Reise, lässt sich alles genau erklären, will wissen wir dieses und jenes organisiert haben. Das Hotel ist nur Nebensache, er hat mal für eine weiterführende Schule als Verwaltungsmensch gearbeitet und seine Frau ist Grundschullehrerin. Daher haben wir beide immer nur abends zu Gesicht bekommen. Er erzählt von seinen Reisen nach Indien und die



große Maschine regt seine Phantasie an. Wie eigentlich überall in Nepal. Die Bergziege erzeugt fast immer einen mittleren Auflauf, denn so leistungsstarke Motorräder sind in Nepal sehr ungewöhnlich. Man lasse sich die Besteuerung auf der Zunge zergehen, denn die Maschine würde in Nepal den dreifache Preis kosten, nur aufgrund der Besteuerung. Wir scheinen für ihn den Lockruf der Ferne zu sein, sodass er uns gar nicht gehen lassen will. Seine Frau macht noch ein fimisches Interview mit uns, so für ihren Social Media Channel. Dann aber nichts wie los, die Straße ruft, der Berg auch und in den Regen kommen wollen wir definitiv nicht.



Die Straße ist trotz des beginnenden Wochenendes ziemlich leer. Alle Überlandbusse - die Rosafarbenen - sind lange vor uns gestartet, sodass wir die Bahn völlig für uns haben. Genau wie auf der Herfahrt, können wir der Bergziege die langen Zügel geben und sie durch die Kurven galoppieren lassen. Die Sicht ist weitaus eingschränkter, als in den vergangenen Tagen. Doch als wir die 2500 Meter hohe Bergkuppe erreichen, dringt Sonnenlicht durch den Dunst. Aber natürlich müssen wir ins nächste Tal wieder runter. Die kleinen Kurven machen wieder Spass und fast könnte ich vergessen, dass unsere Mototrradkilometer nun tatsächlich gezählt sind.



Heute fahren wir 160 Kilometer bis nach Panauti und übermorgen die verbliebenen 33 Kilometer nach Kathmandu. Tja, was soll ich sagen, dann sind wir faktisch am Ende der (Motorrad-) Reise angekommen. Deshalb genieße ich noch einmal dieses wunderbare Gefühl auf die Bergziege zu steigen, den aufkommenden Fahrtwind zu atmen und durch die fremden Lande zu fliegen. Selbst, wenn wir diese Strecke schon einmal gefahren sind, wirkt sie "von der anderen Seite her" völlig neu und es macht wieder richtig Spass. Das diese Freude nur bis Bhimeshwar halten wird, ist mir bewusst, denn danach kommen erst einmal etliche Kilometer abwechslungsreiche Etappen, zwischen Asphalt und Schotterpiste. Aber erst einmal genießen,



und was morgen kommt, sehen wir dann. Wir passieren erneut die Stelle, wo die Talseite der Straße weggerissen wurde. Doch bergab ist es nun unsere Fahrspur, die fehlt und deshalb sind wir ganz vorsichtig, denn man weiß ja nie, ob sich da nicht ein alter, wild bemalter Truck gerade an dieser Stelle im Schritttempo den Berg hoch quält. Irgendwie ist es schon ein bisschen mit Magenziehen verbunden, wenn man dann so runter schaut. Aber bis Bhimeshwar geht alles



glatt und wir brauchen nur eineinhalb Stunden für die 55 Kilometer, wobei wir etliche 1000 Höhenmeter hinter uns bringen. Rauf, runter und wieder rauf und erneut runter. In Bhimeshwar machen wir eine Kaffeepause in unserem bereits bekannten Café, wo sie eine Siebträgermaschine haben. Hier ist ein bißchen die Hölle los - Wochenende halt. Hier kommen gefühlt, sekündliche Überlandbusse an und ebenso viele fahren genau in unsere Richtung. Das kann heiter werden. Die ersten 55 Kilometer unserer 160 Kilometeretappe haben



haben wir hinter uns gebracht. Überhaupt sind 160 Kilometer fast die längste Strecke, die wir in Nepal überhaupt gefahren sind. Bin gespannt, wann wir in Panauti ankommen. Wir haben dort kein Hotel gebucht, daher können wir noch umdisponieren und notfalls am Tibet-Highway in einem Guesthouse schlafen. Aber nun los. Hinter Bhimeshwar geht es gleich ordentlich mit sandigen Streckenabschnitten los. Bergauf ist Sand ja schon nervig, aber bergab ist es richtig anstrengend. Außerdem sind ziemlich viele Busse und auch Trucks unterwegs, sodass eine konstante Staubwolke über diesen Abschnitten liegt und auch die Sicht elendig erschwert.




Die allerneusten Truckmodelle scheinen nicht nach Jiri oder Bhimeshwar zu fahren. Vielleicht ist das auch nur ein Zufall heute. Überwiegend kommen uns diese wild bemalten Schätzchen der Landstraße entgegen. Ich mag dieses bunte Durcheinanderdesign der antiquierten Kisten und ein bißchen schmunzeln müssen wir immer, wenn so ein Truck mit seitlichen



Bogenfenstern an uns vorbeirauscht. Bergab quietschen die Bremsen und auch die, in die Jahre gekommenen, Blattfedern ächzen bei jeder Bewegung des Fahrwerks. Bergauf kann man sie schon kilometerweit riechen. Dann liegen schwere, schwarze Dieselwolken über der Steigung und meist riecht man auch das Getriebe und die schleifende Kupplung. Kurzzeitig erleidet man zwar einen totalen Atemstillstand, doch mit der Zeit gewöhnt sich die Lunge an diese kleinen, feinen Eigenheiten der orientalischen Verkehrssituation. Eigentlich ist so eine Geruchssignalgebung ein ziemlich effektives Frühwarnsystem, kann man nicht anders sagen. Blöd nur, wenn so ein Koloss direkt hinter der Kurve erst Gas gibt . . .



Inzwischen hat sich die Bewölkung tatsächlich ziemlich verdichtet und nachdem wir die meisten Sandabschnitte hinter uns gelassen haben, gebe ich etwas Gas, damit wir voran kommen. Die Straße schlängelt sich bergauf, bis wir auf dem Grat angekommen sind. Ich mag solche Abschnitte, denn dann kann man meistens auf beiden Seiten der Fahrbahn in die Täler schauen. Das erzeugt immer, kombiniert mit der Geschwindigkeit, ein irrationales Gefühl der





Schwerelosigkeit. Wäre da kein Dunst, wäre der Blick sensationell, zumal wir im Rücken immer den Mount Everest hätten. Danach geht es nur noch bergab. Unterwegs gibt es viel zu sehen. Siedlungen und Dörfer fliegen an uns nur so vorbei, doch in den engen Kurven, muss man das Tempo reduzieren, sodass man doch hier und da spazieren kucken kann. Die alltäglichen Arbeiten, die man hier die Menschen verrichten sieht, besonders das Tragen von Lasten, machen uns immer wieder sprachlos. Vorgestern saßen wir in Jiri im Restaurant und der



Nachbar, ein kleines Männchen im Fludderschnapp, schleppte einen Kühlschrank auf dem Rücken in die Hütte. Ebenso sieht man am Straßenrand die unterschiedlichsten Tragesysteme und auch Lasten. Daran unterscheiden sich hier übrigens ziemlich viele Ethnien. Die einen tragen alles mit dem Stoffband über die Stirn und andere wiederum haben bspw. ein Brustgeschirr. Als "unsere" kleinen, weiß gemauerten Stupas auftauchen, machen wir eine




Pause. Außerdem haben wir gerade die 22.000 Kilometer-Marke unserer Reise überschritten.

Magische Zufälle, was soll ich sagen. Vor den Stupas lungern zwei schwarze Hunde rum und sind ziemlich aufgekratzt, als die Bergziege mit einem tiefen Brummen angerollt kommt. Erst mal Zeter und Mordio schreien, bzw. bellen. Sie machen den totalen Aufriß, also, bei mir. Als Hundeflüsterin Anni daher kommt, ist man ganz handzahm und auch ziemlich relaxed. So


entspannt, dass man Minuten nach diesem Adrenalinschub schon wieder umgekippt ist und an der Stupakante schnorchelt. Ich mag diesen Ort. Auch, wenn das Wetter noch eine Spur fahler geworden ist, das Licht somit noch greller wurde, ist die Stimmung hier sehr ruhig und harmonisch - zuzmindest, nachdem beide Hunde wieder auf ihren fliegenden Teppich zurückgekehrt sind. Leider bleibt wenig Zeit zum Verweilen, da wir schon etwas mit unserer Zeitplanung hinterher hängen. Also machen wir uns auf den Weg, damit wir möglichst schnell den Tibet-Highway erreichen, der übrigens nach seinem Erbauer Arniko-Highway genannt wird.




Offiziell ist es natürlich der China-Nepal-Friendship-Highway. Wie dem auch sei, gegen halb zwei erreichen wir die Talsohle, fahren über die Stahlstrebenbrücke und biegen dann links, Richtung Kathmandu auf den Arniko-Highway ab.

Heute ist der Highway gut befahren, was eigentlich nur am Wochenende liegt. Entlang des Highways fließt der Sum Koshi, dessen grautürkises Gletscherasser, träge ins Kathmandu-Tal



fließt. Daher reihen sich "Active Resorts" aneinander, wie Perlen auf einer Schnur. Das Rafting-Business hat heute Hochsaison, obwohl das Wasser so träge ist, dass die Boote kaum von der Strömung bewegt werden. Was soll ich sagen? Vielleicht besser so, denn die meisten Nepalesen können ohnehin nicht schwimmen. Dennoch kommen wir gut voran. Wie wähnen uns quasi schon in Sicherheit, dass wir am frühen Nachmittag in Panauti sind, doch wir haben natürlich - erneut - die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und der heißt nepalesische Verkehrsplanung! 5 Kilometer vor Panauti fühlen wir uns wieder auf den Pokhara-Kathmandu-Higehway versetzt. In einer irren Staubwolke schiebt sich ein Tross aus Bussen, Pickups, Trucks, Mopedfahrern und der ominöse man mit den Handkarren - kein Witz - durch die saharaverdächtigen Sandwolken.

Wir errichen ziemlich genervt und gepudert das kleine Städtchen Panauti.

So, da das WLAN hier im Hotel eine Katastrophe ist, höre ich jetzt auf, denn mir ist jetzt bestimmt 5 mal ein Teil des Textes flöten gegenangen, was mich ungemein nervt. Dazu kommt gerade ein Stromausfall . . . Bonne nuit folks!













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