top of page
AutorenbildIngo

Den Tempel, den niemand kennt . . .

18. Dezember 2023 - Angkor Wat und Banteay Srei

KM 14448


Unser Tag beginnt um 04:15 Uhr, Ortszeit. Der Wetterbericht verspricht nahezu wolkenlosen Himmel für den sehr frühen Morgenstunden. Um 04:40 Uhr brummt die Bergziege los und um Punkt 05 Uhr stehen wir vor dem linken Refectionpond in tiefer Dunkelheit. In Anbetracht der Bilderauswahl erspare ich dem geneiugten Leser eine weitere epische Beschreibung von den magischen Momenten, die man hier zu erleben bekommt. Oder, wie der Engländer, der neben uns stand, es auzsdrückte, "ich hoffe der Sonnenaufgang ist das Denguefieber wert!" Denn auf der Wasseroberfläche tummeln sich ebenso viele Mücken, wie hinter uns ständig neu



ankommende Besuchermassen. Ebenfalls verzichte ich auch darauf, wieder auf der unsensiblen Art einiger Reisegruppen rum zu reiten, während der romantischen Situation, unangemessene und lautstarke Konversationen zu führen, zu der sich häufig, nordasiatische Reisegruppen hinreißen lassen. Aber, ich kann soviel verraten, dass es einen atemberaubende Tagesanbruch gab, besonders in den sternklaren Momenten, wenn die nächtliche Schwärze die Silhoutette Angkor Wat´s offenbarte. Schon ein ziemlich unvergesslicher Moment, kann man nicht anders bezeichnen. Und an dieser Stelle muss ich mal eine Lanze für die ganze Meute um uns herum brechen. Da nicht nur ich, sondern auch wohl 80% der anderen Besucher sehr ergriffen waren, was sich ihnen heute an Naturschauspiel geboten hat, war es stiller, als wir es erwartet hatten. Also, ein wirklich unvergessliches Erlebnis, im wahrsten Sinne des Wortes.




Da es um die Sonnenaufgangszeit, so zwischen 06:30 Uhr und 07:30 Uhr noch ziemlich dunkel im Tempel ist, haben wir beschlossen eine morgendliche Rundfahrt durch den Tempelbezirk zu machen. Tatsächlich ist es auch ziemlich ruhig, da die meisten Besucher von ihren Guides jetzt durch den großen Tempel geführt werden. Es ist angenehm kühl, so 24 Grad, leichter Dunst hängt in den Baumwipfeln und die Tempel, die man von der Straße aus sehen kann, liegen noch



verlassen im Wald. Es geht durch das sonnenbeschienene Südtor, mit seinen vier Steingesichtern, weiter durch den schattigen Wald zum Herz von Angkor Thom. Wir umrunden mehrfach den Bayon, der um diese Tageszeit besonders mystisch ist. Fahren dann weiter, durch das Ostor, dessen vier Steingesichter ebenfalls, mit ihrem wissenden und sanften Lächeln, das




warme Licht der morgendlichen Sonne reflektieren. Auf dem Weg zum Ta Prohm liegen zwei kleine Tempel, der Thomanon linksseitig und der Chao Say Tevoda rechtsseitig. Im erwachenden, lichtdurchfluteten Wald, liegen die beiden kleinen Anlagen verlassen da. Die Vögel begleiten uns auf einer kleinen Erkundungstour. Verglichen mit Angkor sind diese beiden




Tempel wohl nur eine Fingerübung des Architekten gewesen. Verglichen mit den anderen Gebäudekomplexen von Angkor Thom haben diese beiden - zwar sehr süßen - aber eben doch kleinen Tempel, lediglich die Dimension eines Gartenhauses. Nichts desto Trotz, mag ich diese kleinen Anlagen, da sie meist viel besser erhalten sind und auch fast nie von Touristenwellen überrannt werden. Wir lassen Angkor Thom hinter uns und fahren zurück zum Hotel - Frühstück - vorbei am breiten Wassergraben, der Angkor Wat umgibt. Es ist 08 Uhr und nun ist die Anlage so richtig wach. Hunderte touristenbeladener Tuktuks streben zur Ticketkontrolle, unzählige Scooter transportieren Lebensmittel, Bekleidung und was auch immer, zu den einzelnen Restaurants, Handcraft-Markets und "Kunstshops".



Gegen frühen Nachmittag machen wir uns auf, nach Banteay Srei. Dieser Tempel ist wesentlich älter als Angkor Wat, natürlich kleiner, und liegt etwa 20 Kilometer vom Tempelbezirk entfernt. Außerdem habe ich ihn noch nie gesehen! Heute habe ich gelesen, das die Anlage erst seit 2010 für Besucher wieder geöffnet ist, die inneren Tempel sind jedoch abgesperrt und unzugänglich. Anscheinend kennt den Tempel keiner so richtig und er wird erst jetzt mehr und mehr angefahren. Im Angesicht eines 7-Tage Tickets hat man dann auch Zeit für die PErlen, die außerhalb liegen. Außerdem ist es fraglich, wie viele Tempel ja noch in den Erdhügeln oder Wäldern in diesem Teil Kambodschas schlummern. Das ist gar nicht so abwegig, denn die Bauwut der Khmermonarchen war legandär. Auf dem Weg nach Banteay Srei



verlassen wir Siem Reap und begeben uns in den dörflichen Kontext Kambodschas. Immer wieder begegnen uns wirklich seltsame Fahrzeuge, wie dieser mobile Haushaltswarenladen. Die Straßen sind schlecht, häufig ist der Asphalt gerissen und läßt breite Schlaglöcher zurück. Etwa 5 Kilometer vor Banteay Srei, kann ich nur noch mit dem Vorderrad ausweichen und das Hinterrad erwischt so eben den Rand eines ziemlich tiefen Schlaglochs. Ein hässlich schleifenden Geräusch zwingt uns sofort zu halten. Aber Glück im Unglück, der ohnehin schon marode Sprtizschutz hat durch das Schlagloch "ausgeschlagen" und ist im hohen Profil des neuen Hinterreifens umgebogen worden. Zwei der Kunststoffhalterungen des Spritzschutzes sind abgebrochen und die gute malaiische Improvisationsschraube aus Georgetown, ist leicht verbogen. Schwinge, Reifen, Felge und Bremsen sind in Ordnung, was für mich das Wichtigste ist. Auf den Spritzschutz können wir verzichten. Sollte BMW Phnom Penh zufälligerweise einen haben, baue ich ihn eben an. Eine ähn liche Situation hatten wir schon mal in Indonesien. Durch das "Blatt-Schattenmuster" der Bäume auf dem Asphalt, entsteht ein geradezu pointillistisches Licht- und Schattengemälde, dass man weder Unebenheiten noch Schlaglöcher richtig gut erkennen kann. Aber alles gut, der Spritzschutz ist nur Makulatur!



Der Banteay Srei ist ein Hindu-Tempel aus dem 10. Jahrhundert, und wurde von Jayavarman V. gebaut. Aha, so so, Jaya Nr. 5 also. Der Tempel ist Shiva (einer der hinduistischen Hauptgötter und in der hinduistischen Dreifaltigkeit wohl der Fieseste - Shiva der Zerstörer . . . ) und Parvati (hinduistische Muttergöttin) gewidmet ist. Der Banteay Srei liegt nordöstlich der Haupttempelgruppe, die einst zu den mittelalterlichen Hauptstädten Yaśodharapura (ach so, die - na klar!) und Angkor Thom gehörte. So weit zu den Basics. Erstaunlich ist, wie viele, gut



guterhaltende Sandsteinschnitzereien es gibt. Banteay Srei besteht größtenteils aus einem rotem Sandstein, der sich super für die kunstvollen und dekorativen Wandschnitzereien eignet. Natürlich sind die meisten Schnitzerstories über Shiva und Parvati. Aber, dazu später mehr. Der Tempel ist recht klein, aber die Jungs haben den ja auch im 10. Jahrhundert gebaut. Jaya N. 5 war vielleicht auch nicht so technisch bewandert, wie sein 7. Namensvetter oder hatte noch nicht diese Gottgleicheitshybris, wer weiß das schon? Das Miniaturformat der Gebäude erinnert



ein bißchen an das Legoland, aber im Vergleich zu den Dimensionen Angkor Wats, ist diese buchstäblich sehr bescheiden. Was dieses rote Tempelchen jedoch richtig sehenswert macht, sind tatsächlich die gut erhaltenen Dekorationen und auch das "Lummerlandfeeling". Gemütlich umrundet man die kleine Tempelinsel, kann im Schatten verweilen und sich, von den Grillen - jawohl, Grillen nicht die Kompressorzikaden - in die Geschichte träumen.



Der Tempel wird 1914 "wiederentdeckt" und ist schon bald danach Schauplatz eines spektakulären Kunstraubes. Ein Franzose stiehlt 1923 mehrere Devatas (Figuren von Gottheiten). Dabei handelt es sich pikanterweise um den Journalisten, Drehbuchautor, Filmregisseur und Politiker André Malraux, der 1923 nach Angkor kam, damals Französisch-Indochina, wo er, um sich finanziell zu sanieren, die drei Flachrelieffragmente aus dem Banteay Srei Tempel "mitgehen" läßt. Er wird jedoch am 23. Dezember 1923 verhaftet und am 21. Juli 1924 in Phnom Penh zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Ab den 1930er Jahren wird am Banteay Srei ordentlich gedengelt und erneuert. Interessant finde ich, dass man bereits damals die Anastylose einsetzt, bei der man versucht den Banteay Srei unter größtmöglicher Verwendung der ursprünglichen architektonischen Elemente und Materialien wiederherzustellen versucht. Ich finde, dass Ergebnis kann sich sehen lassen!



Wirklich putzig! Kann man nicht anders sagen. Sehr überschaubar, doch in seinen Details ist der Tempel super spannend. Ob man sich mal genauer die Schnitzereien anschaut oder einfach nur den roten Sandstein in der Nachmittagssonne genießt, Zudem bekommt man einen sehr guten Eindruck, wo die architektonischen Grundlagen der Bauten von Angkor Thom von Jaya Nr. 7 wohl herkommen. Hinter den drei zentralen Türmen, stehen jeweils zwei Bibliotheksgebäude.



Also, Türme ist etwas vermessen, Türmchen passt besser. Ich bin erstaunt, wie häufig so kleinere Bauten, zu späteren Monströsitäten anregen. Wenn ich mir meine Indienbilder anschaue, dann finde ich das "kleine" Taj Mahal (das Itimad-ud-Daula-Mausoleum in Agra) meist auch viel spannender, als die brühmte Großversion. Die beiden Bibliotheken bestehen



aus den hier "üblichen" Baumaterialien Ziegel, Laterit und Sandstein. Jede Bibliothek hat zwei Giebel, einen auf der Ostseite und einen auf der Westseite. Auch wenn die beiden Bibliotheken so putzig daherkommen, sind Angkor Wats Bibliotheken nicht anders aufgabaut. Und diese hier sind definitiv besser erhalten, als jene in Angkor Wat. So im Nachmittagslicht ist es wirklich sehr schön hier und ich begreife, warum alle von einem historischen Kleinod sprechen, wenn es um den Banteay Srei geht. Selbst die Dame am Buffet in unserem Hotel, präferiert diesen Tempel wegen seiner Stille und den schön restaurierten Gebäuden.



In den super erhaltenen Reliefen geht es natürlich, gemäß hinduistischer Mytologie, hoch her. Erst drunter und drüber und dann wirds zappenduster. Dabei hängt Shiva iregndwie immer mit drin. Also, der nach Osten ausgerichtete Giebel der südlichen Bibliothek zeigt Śhiva, wie er auf dem Gipfel des Berges Kailash haust, seinem mythologischen Wohnsitz also. Na klar, was auch sonst, der Kailash! Manchmal bin ich erstaunt, was Geleerte alles aus so einem Steintäfelchen rausgeholt haben wollen. Für mich ist es mehr so ein antikes Wimmelbild aus Sandstein.



Aber nun gut, Shivas Gemahlin Parvati sitzt auf seinem Schoß und klammert sich ängstlich an seinen Oberkörper (tja, lieber Leser, die scharfen Sachen sind leider nicht auf diesem Bild). In der oberen Reihe sitzen bärtige Weise und Asketen, in der mittleren Reihe mythologische Figuren mit Tierköpfen und Menschenkörpern und in der unteren Reihe große Tiere, darunter mehrere Löwen. In der Mitte der Szene steht der zehnköpfige Dämonenkönig Ravana. Ich komme beim Zählen ja nur auf 7 Gesichter, aber vielleicht muss man drei Gesichter auf der Rückseite dazuaddieren? Der Kerl erschüttert den Berg in seinen Grundfesten, während die Tiere sich vor ihm verpieseln, die Weisen und die mythologischen Wesen die Situation besprechen oder beten. Klar, erst mal diskutieren und einen Unterausschuß bilden, der dann exakt umrissene Aufgabengebiete hat, kenne ich! So nu´kommt der Knaller: Der Legende nach hielt Shiva Ravana davon ab, den Berg zu erschüttern, indem er mit seinem Zeh auf den Berg drückte und Ravana 1.000 Jahre lang darunter festhielt. So nun hat der geneigte Leser wohl genug Stoff zum Nachdenken - mit seinem Zeh, 1.000 Jahre! Wenn dass mal keinen Krampf gibt? Insgesamt ist die mytologische Hintergrundstory zu Shiva und Co. ziemlich ausufernd, weshalb ich auf die analyse der restliche 327 Reliefstories verzichte. Im Großen und Ganzen geht es aber immer um einen ziemlich ADHS-gestörten Erstklässler names Shiva, der in jeder Rauferei dabei ist, klaro. Bonne nuit folks!










42 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Buchhaltung . . .

1 commentaire


Marc Luetjens
Marc Luetjens
19 déc. 2023

KI ist mal Kultur beflissen:

Banteay Srei ist eine hinduistische Tempelruine in Kambodscha, die Mitte des 10. Jahrhunderts erbaut wurde. Die Reliefe am Banteay Srei zeigen Szenen aus der hinduistischen Mythologie, insbesondere dem Ramayana. Sie sind sehr kunstvoll und detailliert aus rosa Sandstein gemeißelt. Die Reliefe gelten als einige der schönsten Beispiele der Khmerkunst. Das Ramayana ist ein großes Epos des Hinduismus, das die Geschichte von Prinz Rama erzählt, der eine Inkarnation des Gottes Vishnu ist. (Nicht zu verwechseln mit Shiva wie es dem Dollyfahrer passiert ist. An.d.R.). Rama wird ins Exil verbannt und muss seine Frau Sita aus den Fängen des bösen Dämonenkönigs Ravana befreien, der sie nach Lanka entführt hat. Das Ramayana ist eines der längsten Gedichte der…


J'aime
bottom of page