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AutorenbildIngo

Das Tal des Nan-Flusses . . .

03 Dezember 2023 - Von Pua nach Nan

KM 12585


Links geht es nach Laos, ungefähr 3 Kilometer bis zur Grenzstation Muang Ngeun, rechts führt die 1081 in das Tal des Nan Flusses. Das auf der Karte ausgewiesene Dorf Ban Hai Kon besteht nur aus wenigen Holzhäusern, deren Bewohner ausschließlich landwirtschaftlich tätig sind. Unter windschiefen, vergrauten und rostigen Vordächern stehen schlammbespritzte, ältere Pickupmodelle. Kinder spielen am Straßenrand, Hühner staksen auf dem heißen Asphalt, kleine, strubbelige Hundewelpen tapsen im Straßengraben. Momentan ist nur das Knacken unseres erhitzten Motors zu hören, untermalt von leisem Gackern der Hühner und dem Fiepen der kleinen Hunde. Wir wälzen die Karte der Provinz Nan. Die Straße ist leicht abschüssig, aber soll sich in gutem Zustand befinden. Unser letzter Gastgeber Ross, ein Australier, erzählte, dass es in den vergangenen 5 Jahren so viele Erdrutsche auf der 1081 entlang der laotischen Grenze gegeben hat, dass sie nahezu komplett überarbeitet wurde. Der Belag sollte in optimalem Zustand sein, zumindest bis Ban Bor Kluea.

Die vergangene Dreiviertelstunde sind wir in einer einzigen Baustelle gefahren. Auf zwanzig Kilometer Länge wird die Straße komplett saniert. Es war nicht viel Verkehr, aber schmieriger roter Lehmboden oder feiner Rollsplitt auf glattem, ziemlich ausgefahrenem Asphalt brauchte schon meine ganze Aufmerksamkeit. Die „große Runde“ durch den Nordosten der Provinz Nan werden nicht viele fahren, meinte Ross heute morgen beim Abschied zu uns. Und so ist es auch. Wir treffen lediglich auf 4 Schweizer, die seit 20 Jahren in Chiang Mai leben und auf einem Wochenendtrip sind. Da sie ihr Gepäck in Nan gelassen haben und auch jeder allein auf seiner Maschine unterwegs ist, sind sie natürlich viel schneller unterwegs.


Somit sind wir allein auf der Straße im äußersten Nordwesten der Provinz. Die Berge stehen hier eng und fallen schräg in schmale Täler ab. Dementsprechend ist der Straßenverlauf steil in den Steigungen oder dem Gefälle und eng in den Kurven. Gerade Streckenabschnitte gibt es gar nicht. Mehrfach müssen wir 200 Höhenmeter an einem Hang ins Tal runter, nur um uns auf dem gegenüberliegenden Hang entsprechend wieder hoch zu schrauben. In der Talsohle hat man das Gefühl, am untersten Punkt des überdimensionierten Buchstaben V zu sein. Über den Bergen hängen größere Wolkenfelder fest. Es ist zwar kein Regen angesagt, doch wer weiß das schon? Gestern Abend sind wir, auf der Rückfahrt vom Abendessen zu unserem Homestay, in einen Regenguss gekommen, wie wir ihn auf unserer Reise noch nicht erlebt haben. Glücklicherweise haben wir das Regenzeug immer in den Crashbags, vorn an den Sturzbügeln. Sonst wären wir binnen Sekunden komplett durchnässt gewesen. Irgendwann hab ich mal gelernt, dass das Wetter im Hochgebirge nicht zwangsweise beständig sein muss, nur weil man morgens keinerlei Wolken am Himmel hat. Heute Morgen hatten wir einer wunderschönen Start in den Tag. Wir übernachten im Pua Tranquil Vista Homestay bei Ross und seiner bezaubernden Frau Ahe. Unser Zimmer hat über dem Kopfteil des Bettes ein langes Fenster - Richtung Sonnenuntergang - und ebenfalls vom Bett aus kann man auf der gegenüberliegenden Talseite den

Sonnenaufgang sehen. Als es hell wird, liegt dichter Hochnebel über dem Tal und die Wolken ziehen über die Bergspitzen, sodass wir im Verlauf des Morgens immer mal einen der drei Gipfel oberhalb der fließenden Wolken sehen können. Ross und Ahe vermieten immer nur eins ihrer drei Zimmer und haben einen unglaublichen Servicegedanken. Obwohl beide nicht aus der Hotelbranche kommen, haben wir auf unserer Reise selten so gastorientierten Service und emphatische Vorbereitung der Zimmer erlebt, wie hier in Pua. Die beiden machen das mehr so als Hobby, denn sie müssen nicht davon leben. Schon bei der Ankunft gestern bekommen wir umgehend Cheesecake und Tee auf dem großen Balkon serviert, der einen unglaublichen Blick über das Tal erlaubt, in dem Pua liegt. Großartig, wir haben uns sofort derartig wohl gefühlt, dass wir erst spät losgekommen sind. Irgendwie sind Ross und ich ins Gespräch gekommen, weil er einen recht seltsamen geschlossenen Aluminiumzaun, auf einem Meter Höhe, umlaufend um seinen Garten hat. Das hängt damit zusammen, dass die Provinz Nan und in Pua besonders, recht viele giftige Schlangen beherbergt und als er das erste Mal eine aggressive Eastern

Sidewinder Viper in seinem Garten hatte, wurde der Zaun mit Aluminiumplatten „abgedichtet“. Dennoch haben sie überall im Haus Taschenlampen und an jeder Seite des Hauses lehnen lange, sehr scharfe „Gartengeräte“. Ross hat viele gut Tipps für die Route, die wir uns für heute vorgenommen haben. Wer also in diese Gegend kommt, der sollte hier übernachten! Nach einem unglaublichen Frühstück, Anni hat immer noch einen glasigen Blick vom frischgebackenes Brot mit Butter und Marmelade, machen wir uns auf, das Tal des Nan-Flusses von Norden nach Süden zu durchfahren. Der Mae Nam Nan ist neben dem Mae Nam Ping einer der beiden Hauptquellflüsse des Mae Nam Chao-Phraya, des Zentralstromes von Thailand und fließt etwas mehr als 600 Kilometer in südlicher Richtung. Die Quelle des Nan liegt im Norden der Provinz. Der Nan fließt dann südlich, nachdem er die Stadt Nan durchquert hat, durch die Provinzen Uttaradit, Phistsanulok und Phichit, ehe er gemeinsam mit dem Mae Nam Yom bei Chum Saeng weiterfließt. Der Nan vereinigt sich dann bei in der Stadt Nakhon Sawan mit dem Mae Nam Ping zum Chao Phraya River, dem größten Strom Zentralthailands, der südlich von Bangkok in den Golf mündet.


Die Landschaft ist atemberaubend. Hinter jeder Kurve wartet ein unglaublicher Blick in die Ferne, in die Tiefe oder in die Höhe. Die Luft ist klar, kühl und würzig. Je höher wir kommen, um so mehr verändert sich die Vegetation. Hier gibt es nirgendwo eine Baumgrenze. Selbst die höchsten Gipfel sind bewaldet. Manchmal durchfahren wir ein Stück Kiefernwald und der Geruch, der da in unsere Helme strömt ist so betörend heimisch, dass man glatt vergessen könnte, dass man sich sprichwörtlich am Ende der Welt befindet. Und doch sind überall Spuren von Leben zu finden. Selbst an den steilsten Berghängen sieht man vereinzelt Dächer von menschlichen Behausungen, umgeben von kleinen Maisfeldern oder sehr schmale Reisterrassen. Hier und da künden kleine Schreine oder Pagoden von der tiefen Verbundenheit zur buddhistischen Lebensvorstellung. Oft führt die Straße an einem Bergrücken entlang, dessen

Spitzen bereits laotisches Staatsgebiet sind. Wäre diese unglaublich gute Asphaltstraße nicht, könnte man meinen, dass hier Gottes vergessene Kinder leben. An und ab begegnet uns ein einsamer Pickup, bei dessen Auftauchen wir uns erschrecken, im Angesicht der Losgelöstheit, in der wir entlang der Berge reisen. Wir befinden uns längst auf der Südroute als wir um eine Felsnase fahren und sich vor uns ein weites Tal auftut. Mittig in der Sohle liegt, in weiten Mäandern fließend, der Nan. Das Sediment ist tiefrot, auf 30-40 Meter Breite zerfurcht und sein Bett ist mit rundgewaschenen Felsen und Steinen jeder Größe gespickt. Die Berghänge scheinen sich sprichwörtlich vom Fluss zurückgezogen zu haben und sind längst nicht mehr so steil, wie noch 10 Kilometer zuvor. Auch wenn der Nan gerade nicht viel Wasser führt, kann man an

seinem zerklüfteten Bett genau sehen, dass er sich in einen reißenden Strom verwandeln kann. An den Berghängen, kann man immer noch die Folgen von regenbedingten Erdrutschen sehen, wo ganze Landpartien, samt Vegetation ins Tal gerutscht sind. Die Straße folgt jetzt immer dem Verlauf des Flusses, mal hoch über seinem Lauf, mal fast auf Wasserspiegelhöhe. Die Weite der Talsohle ermöglicht Reisanbau. Angepasst an den vorhandenen Platz, haben die Menschen, vornehmlich Ethnien der Hmong oder der Tai Yuan, der Tai Lü oder die Phuan, die Tai Khün und auch Shan, durch das ganze Tal unzählige terrassenförmige Reisfelder angelegt, sodass die Talsohle wie die Schuppen eines langen, gewundenen Fisches auf einem japanischen


Holzschnitt anmutet. Die Reisernte ist vorüber und die Flächen ruhen. Überall in den halbrunden, trockenen Parzellen grasen Kühe oder die grauen, schlammverschmierten Wasserbüffel. Wenn im Frühjahr überall die hellgrünen jungen Reispflanzen ausschlagen, wird hier eine atemberaubende Palette an Formen und Farben entstehen. Zur optimalen Ausnutzung der vorhandenen Ackerfläche, liegen die Holzbauten der Menschen höher, eng an die Straße gedrängt, vermutlich auch, um bei einem Hochwasser des Nan in Sicherheit zu sein. Graue Wolken liegen über dem Tal. Auch wenn noch hier uns da Sonnenflecken auf den grünen Hängen zu sehen ist, ist ein Regenguss wohl unvermeidlich. Die Streckenführung erlaubt uns aber ein höheres Tempo, somit entkommen wir dem drohenden Regenschauer und hinter Ban Bor Kluea kommt die Sonne wieder zum Vorschein.


In Ban Bor Kluea gibt es einen Abzweig nach Pua, wo man wieder Bei Ross und Ahe vor der Tür entlang fahren würde. Südlich dieses Dorfes fährt man in das Tal des Nam Wa, des Wa-Flusses. Der Nan-Fluss ändert seine Richtung weiter westlich nach Pua, um dann südlich nach Nan (die Stadt) zu fließen. Wir fahren weiter nach Süden und machen einen Zwischenstopp im „neuen“ Urlaubsparadies dem kleinen Örtchen Ban Sapan. Laut Thailands Tourismusinformationen ist „Ban Sapan (…) eine kleine und friedliche Gemeinde inmitten der Natur der Berge, durch die ein kleiner Fluss fließt und während der Regenzeit, der Landwirtschaftszeit, können die Besucher auch die Landschaft der grünen Reisfelder genießen.“ Nun ja, wir würden es als eine Touristenhochburg bezeichnen. In dem kleinen Seitental mit seinem pittoresken Flüsschen, steht Eco-Lodge an Resort und Campingplatz an Restaurant. Das Seitental ist über die 3-

Kurvenstraße, mit seinen malerischen Aussichten, relativ gut zu erreichen, ohne, dass man über die einsame und schwer zu fahrenden Serpentinen des laotischen Grenzgebirges kommen müsste. Von Süden kommt unaufhörlich ein Strom an großen Off-Road Fahrzeugen, Pulks von Harleyfahrern, gemietete Adventurebikes und außerdem Reisebusse jeglicher Größe. In dem kleinen Dörfchen im Tal von Ban Sapan „laufen“ zwei Steilhänge V-förmig zusammen und visuell „dahinter“ liegt eine Bergspitze, ausgerichtet nach Osten, die für ihren Sonnenaufgang berühmt ist. Der perfekte Instapoint. Ross meinte, mit einem riesigen Schalk in seinen Augenwinkeln, dass zu 90% des Jahres über dem Nan Tal morgens Hochnebel liegt, der sich erst im Laufe des Nachmittags vollständig auflöst und er daher den thailändischen Exodus nicht nachvollziehen kann, dort morgens nebelverhangene Berge zu fotografieren. Gut, verstehe natürlich, was er meint, aber, wenn ich daran denke, dass ich seinerzeit in Darjeeling vier Mal, zu dunkler Morgenstunde, auf eine Bergspitze gepilgert bin, um den Sonnenaufgang hinter dem

Kangchenjunga-Massiv zu sehen, den man in der Regenzeit nie sehen kann, ist mir die Hoffnung vieler Thais auf diesen erhebenden Moment eines Naturschauspiels nicht ganz fremd. Vorbei ist es also mit der beschaulichen Reise-Ruhe, wo man mittig auf der Straße halten konnte, auf der Leitplanke sitzt und in der Ferne des Horizonts versinkt. Schwer zu erklären, aber der Anblick der nördlichen Route hat uns seltsam ruhig und auch glücklich gemacht, denn uns ist schon klar, welch ein unglaubliches Privileg es ist, diese majestätischen Landschaften zu durchstreifen.

Im späten Nachmittagslicht, das die bergige Landschaft in warm-rötliches Licht taucht, befahren wir die 3-Kurvenstraße. Bevor es nach Nan in die Ebene geht, müssen wir der Bergziege noch einmal alles abverlangen und über ein sehr steiles Straßenstück, nicht so lang, aber ansonsten recht ähnlich zum sogenannten „Krawattenknoten“ auf Mallorca. Häufig muss ich in der Serpentinen runter in den ersten Gang, richtig am Gashahn ziehen und mit unserem ganz nach vorn verlagertem Gewicht die Schräge hoch fahren. Auf diesen Abschnitten merkt man erst, welche Kraft unter dem Tank schlummert, wenn ein Zittern durch die Bauteile geht


und mit tiefen Grollen der Motor nach vorn schießt. Bergrunter nach Nan, fahren wir wieder ein Stück der 3 Kurven Straße, dass wir schon kennen - und - dort befindet sich der Instapoint, der geneigte Leser erinnert sich, mit dem imitierten Balitempel. Diesmal halte ich stumpf an, aber der späten Tageszeit geschuldet, ist dort nicht mehr viel los, bis auf ein paar chinesische Reisebusse. Eine Reisebegleiterin, angetan in einem uniformähnlichen Poloshirt, koordiniert die Selfieaktionen. Daher hier für den geneigten Leser, ein Foto als Beweis für mein gestriges Augenzwinkern im Hinblick auf Instapoints. Bonne nuit folks.


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1 Comment


Marc Luetjens
Marc Luetjens
Dec 04, 2023
KI küsst die Muße und lässt sich vom Reim inspirieren:
Wo Werra und Fulda sich küssen,
müssen sie in ihren Namen büßen.
Wo der Nan den Mae Nam Ping trifft, in sanfter Gier,
Vereinen sie sich still im Chao Phraya hier.
Wie Werra und Fulda, im Kuss verloren,
Lassen sie die alten Namen erfroren.
Am Ufer, wo der Nan den Mae Nam Ping begrüßt,
Entsteht der Chao Phraya, fließt mit süßer Lust.
Wie Werra sich zur Fulda zart gesellt,
Verliert der Name sich in der Wasserwelt.
Flüsse spielen in der thailändischen Kultur eine wichtige Rolle und sind tief in der Geschichte und den Traditionen des Landes verwurzelt. Sie sind nicht nur lebenswichtige Wasserquellen für Landwirtschaft und Transport, sondern auch zentrale…

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