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AutorenbildIngo

Das Nadelöhr der Himalayas . . .

22. März 2024 - Pokhara

KM 20.931


Gestern Nachmittag, nach gut 6 Stunden Fahrzeit über den Siddhartha Highway, erreichen wir Nepals Touristenmetropole Nr. 1 - Pokhara. Seit diesem Jahr, 2024, ist Pokhara daher offiziell die Tourismushauptstadt Nepals. Es gilt - Reisender, wenn du nach Pokhara kommst, verläßt du Nepal. Diese Stadt ist sozusagen das Nadelöhr der westlichen Himalayas. Auch wenn Pokhara "nur" auf 822 Metern über N.N. liegt, kommt niemand an dieser Metropole, mit seinen gut 600.000 Einwohnern, vorbei. Die flächenmäßig größte Stadt Nepals, ist auch gleichzeitig die Hauptstadt der Provinz Gandaki. Nepal hat ohnehin nur eine ungefähre Ausdehnung von 800 Kilometern (West nach Ost) x 200 Kilometern (Nord nach Süd), deshalb liegen die größeren Städte alle recht nahe bei einander, zumindest so per Luftlinie. Pokhara liegt 200 Kilometer westlich von Kathmandu, am Ufer des Fewa-Sees.



Unser Hotel liegt direkt am See und wir haben das Dachzimmer in der 5. Etage, mit Tür zur Dachterrasse. Der Blick ist natürlich sehr schön, doch leider zeigt Pokhara seit gestern ziemlich viele graue Wolken, es ist außerdem sehr diesig und für heute Nacht ist Regen angesagt. Nun ja, ich höre da vereinzelt Stimmen aus dem Münsterland, wo es wohl seit Monaten durchregnet, die mir zuflüstern, ich solle mich nicht so anstellen. Schließlich würde das derzeitige Wetter in Pokhara, gerade jetzt in Münster als strahlender Frühsommer durchgehen. Der Grund warum Pokhara und besonders der See bei Touristen so beliebt ist, zeigt das folgende Bild, was ich aus dem Netz laden musste:



Genau, wenn dem geneigten Leser jetzt ebenfalls der Atem stockt, dann kann ich das gut nachvollziehen. Etwa 24–56 Kilometer vom Fewa-Tal/Pokhara entfernt, hat sich vor Urzeiten die Natur erlaubt, bis in alle Ewigkeit mit gewaltiger Erhabenheit zu protzen. Dort liegt das Annapurna-Massiv - engl: The Annapurna Range, mit drei der zehn höchsten Gipfel (über 8000 Meter) der Welt – Dhaulagiri, Annapurna I und Manaslu. Der Machhapuchchhre, von den Einheimischen "Fischschwanz" genannt, liegt mit einer Höhe von 6.993 Metern der Stadt am



nächsten. Pokhara gilt als besonders anfällig für Erdbeben und Überschwemmungen, da der Fluss Seti Gandaki durch die Stadt fließt. 2015 muss es in Nepal wohl sehr mächtig gerumst haben, denn ich habe gelesen, dass nicht nur in Kathmandu, sondern auch im übrigen Nepal, neben etlichen alten Tempeln, auch Tausende Gebäude eingestürzt oder in arge Mitleidenschaft gezogen wurden. In dieser Region steigen die Berge sehr schnell an und innerhalb von 30 Kilometern, steigt die Höhe von 1.000 Meter auf 7.500 Meter an. Aufgrund dieses starken Höhenanstiegs weist das Gebiet von Pokhara eine der höchsten Niederschlagsmengen des Landes auf. Das können wir vom Wetterbericht ablesen, denn leider ist auch für die nächsten



paar Tage diese graue Waschküchensuppe angesagt, doch ab Dienstag ist strahlender Sonnenschein für Pokhara vorgesehen, das haben wir natürlich verdient. Was selbstredent nicht bedeutet, dass die Annapurna Range auch tatsächlich wolkenfrei ist. Aber wir werden sehen. Bis dahin können wir uns gut beschäftigen. Völlig ungewohnt ist für uns diese Dichte an Outdoorshops, Pizzerien, Steakhäusern, Chinarestaurants



und - natürlich, darf die German Bakery nicht fehlen. Die bietet von der Schwarzwälder-Kirschtorte bis zum Kosakenzipfel einfach alles, was die Backwerkstatt so hergibt. Was wir heute im Stadtbild gesehen haben, waren überwiegend asiatische und indische Touristen. Die meisten Bleichgesichter kommen tatsächlich aus unserer teutonischen Heimat. Erstaunlich, auf unserer restlichen Reise waren meist die Italiener und Franzosen in der Überzahl, wenn man von den Chinesen mal absieht. Ein Kellner erzählte uns gestern, dass 9 von 10 internationalen westlichen Gästen, aus Deutschland kommen. Das Bild bot sich uns heute auch so. Pokhara ist einfach der Ausgangspunkt für Bergsteiger, Trekking oder auch Wanderer, die verschiedenste



Annapurna-Rundkurse durch die Annapurna-Schutzgebietsregion unternehmen. An jeder Ecke werden echte und unechte Daunenjacken angeboten, Schlafsäcke, Wollsocken, Bergsteigerstiefel, Trekkingschuhe. Die internationale Rucksackindustrie jeder Coloeur findet sich in allen Auslagen wieder, manchmal sind die Labels jedoch einfach so schlecht gefälscht, dass man schon blind sein müsste, um das Produkt zu erwerben. Darüber hinaus werben gut 20 verschiedene Unternehmen mit identischen Freizeitangeboten - ein Schelm, wer hier



mafiöse Strukturen vermutet. Da gibt es Paragliding über dem Annapurnamassiv, das Werbebild sieht schwer gephotoshopt aus, Helikopterrundflüge, vor selbigem Hintergrund, Bergsteiger-, Trekking- und Wandertouren verschiedenster Grade, Ponyreiten, Stand Up Paddling, Kajakfahren und natürlich auch der Genuss eines nepalesischen Tretbootes. Dazwischen liegen verschämt verglast, "echte" Outdoorläden, wo sich eine sündhaft teuere Daunenjacke auch so anfühlt. Bei den "normalen" Straßenoutdoor-Händlern, scheinen alle Füllungen gleich zu sein, trotz einer sehr differenzierten Produktpalette. Da etwa 600.000 internationale Touristen jährlich Pokhara besuchen, fehlt natürlich auch nicht das Basargewerbe. Die sogenannten Handicraftmarkets, bieten einfach alles an, was die Himalaya-Region so zu produzieren im Stande ist, ungeachtet irgendwelcher Landesgrenzen. Tonnen von Messingbuddhas und -shivas



stapeln sich neben Klangschalen in allen Dimensionen. Holzperlen, Silberschmuck, Elefantenglocken, Klosterglocken, tibetanische Gebetsspindeln, Gebetsfahnen und Gurkhamesser in allen Größen, Qualitäts- und Schärfegraden. In der Gasse zum See, in der unser Hotel liegt, ist überall mit den typischen tibetanischen Gebetsfahnen bespannt und es gibt auch kein Geschäft, das nicht damit dekoriert ist oder sie auch verkauft. Im Hinblick darauf, dass dem geneigten Leser das "Gurkhamesser" kein Begriff ist, hier ein Exkurs. Nur zur klaren Unterscheidung, hier wird nicht vom Gurkenmesser gesprochen, nur für den Fall das der geneigte Leser unkonzentriert diesen brillianten Ausführungen folgt. Das "Gurkhamesser" heißt



eigentlich Khukuri und ist ein schweres, zur Kante hin gebogenes Messer mit einem verbreiterten Rücken in der Mitte, das sowohl als Waffe, als auch als Werkzeug dient. Außerdem ist das ein Stück nepalesisches Kulturgut, das Jahrhunderte von der Ethnie der Gurkhas, einem Bergvolk des Himalayas, gefertigt wurde und immer noch wird. Warum diese Messer hier so massiv auftauchen, liegt daran, dass Pokhara auch die Heimat vieler Elite-Gurkha-Soldaten ist, die für die britische Armee, die nepalesische Armee, die indische Armee, das Gurkha-Kontingent Singapur, die Gurkha-Reserveeinheit Brunei, UN-Friedenstruppen und für jegliche Kriegsgebiete um den Globus rekrutiert werden. Neben den Messern, hängen auch überall diverse Masken aus dem Himalaya herum. Da grinsen einen tibetanische Tanzmasken aller Art an und auch in verschiedenen Größen. Ich finde eine Holzmaske, großartig bemalt, mit einem halben Meter



Durchmesser. Leider haben wir ja so gar keinen Platz dafür, außer vielleicht ich trage die Maske während der Fahrt. Doch die Möglichkeit verwerfe ich nach wenigen Sekunden. Nicht auszudenken, was hier im Hochgebirge los ist, wenn ich bei einem trüben Morgen durch die

die nebeligen Gassen eines Gebirgsdorfes fahre und diese klösterliche Dämonenmaske trage? Dennoch finde ich die Holzschnitzereien sehr ansprechend und muss sofort bedauern, dass wir im Mai nicht an den Klösterfesten in Tibet teilnehmen können, wo etliche Variationen dieser Masken ihren Einsatz beim Cham (Tanz) finden. Der Cham wird oft im zentralen Innenhof eines Klosters aufgeführt und von Mönchen und Nonnen, im Rhythmus von quäkigen Knochentrompeten, dröhnenden Hörnern aus Kupfer, Becken und Gesängen getanzt. Also scheint das musikalische ein auditives Kleinod zu sein, höre dat Gejaller schon vor meinem geistigen Ohr. So melodisch, wie ein Sack Muscheln!. Dennoch weiß ich, bei allem



Humor, dass mich das Schauspiel bestimmt in seinen Bann ziehen würde. Nicht zuletzt auch wegen der Kulisse eines tibetanischen Klosters. Die maskierten Schauspieler stellen so maskiert, ehemalige buddhistische Heilige, zornige Gottheiten, Tiergottheiten, Dämonen, Skelette und andere Charaktere dar. Und - alle drehen sich im Kreis, äh - nee, in einem allegorischen Tanz, so um den Sieg des Buddhismus über die negativen Mächte und Dämonen. Wie gesagt, die Masken finde ich super. Da wir gerade unsere Flüge in die Heimat gebucht haben, weiß ich schon, dass wir pro Person 30 Kilogramm Gepäck dabei haben dürfen. Von Bangkok nach Delhi hatte ich 15 Kilogramm und Anni 11 Kilogramm inne Tasche. Da ist noch was drin für den Rückflug! Wo ich gerade bei Tibet war. In Pokhara gibt es auch so ein Tibet-Zentrum, wo man in Dörfern von Exiltibetern Handwerkskurse u.ä. buchen kann. Das schauen wir uns morgen noch einmal genauer an, auf jeden Fall ist der Laden ziemlich bunt.



Zum Abendessen habe ich mit meinem Experimentierwillen diskutiert und gewonnen haben die chililosen Chinamannudeln mit Huhn - also langweilig unscharf. Anni hat da mehr Mumm bewiesen und ein originales nepalesischen Thali genommen. Sie hätte Reis dazu haben können, aber sie hat statt dessen auf den Fensterkitt gezeigt und ihn auch bekommen. Dazu gab irgendeine Soße, die man auch zum Abbeizen von Altlacken an Holzmobiliar nehmen könnte. Der Fensterkitt entpuppte sich, als irgendeine gedämpfte Substanz, die nach nix schmeckt, und das nicht einmal gut, aber die Masse läßt sich bestimmt super verspachteln.



Das Lichtermeer um und am See ist sehr schön anzuschauen, zumindest von der 5. Etage aus. Wir haben es uns auf der Dachterrasse gemütlich gemacht, doch schon nach wenigen Minuten zwingt uns der Regen in unsere Kemenate, wo wir dann jetzt mal ein wenig faulenzen werden. Bonne nuit folks!






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