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AutorenbildIngo

Das Hochland . . .

28. Januar 2024 - Von Luang Prabang nach Nong Khiaw

KM 17.469


Verdorri nochmal, es hat geregnet! Das haben wir aber gar nicht bestellt. Dabei habe ich gestern erst das Windschild geputzt. Nicht, dass der geneigte Leser das jetzt falsch versteht. Ich putze das Moped nicht, weil Samstag ist, sondern, weil ich sonst nicht rechtzeitig die Schlaglöcher auf der Straße sehen kann. Das Windschild war so verstaubt, dass es mit einem undurchdringlichen roten Schleier überzogen war. Aber auf den Wintereinbruch hier, da waren wir nicht gefasst, also auf Regen sowieso nicht. Heute Morgen schneit es zwar nicht, doch man kann die Wollzwischenschicht gut anhaben. Schließlich sind es heute morgen nur 15 Grad. Wie soll das erst in Indien werden? Ach ja, Indien. Wir haben übrigens ein überarbeitetes Angebot von PT AIR Cargo bekommen, so zwischen 2600 und 2900 Euro, was schon annehmbarer klingt. Aber, nun wird es ernst und wir müssen uns ernsthaft Gedanken über einen vernünftigen Routenverlauf in Indien machen. Mir liegt immer noch im Magen, dass wir nicht nach Nepal fahren können. Wir haben unserem Logistiker geschrieben, ob wir die Bergziege nicht aus Katmandu auf die Heimreise schicken können. Dann würden wir nämlich unsere Tour genau anders herum fahren, als wir ursprünglich mal geplant haben. Von Delhi nach Kolkata, Besuch der Sundabarns, nordwärts Richtung Darjeeling in den Himalaja, dort Einreise nach Nepal und aus Nepal treten wir die Heimreise an. Also, eigentlich ein Spaziergang . . .



    Die Bergziege rollt motiviert aus Luang Prabang, kein Wunder, denn an der Hauptstraße vor dem Königspalast ist Stau. Dort steht Minivan an Minivan, entlässt chinesische Kulturwillige in Richtung Tickethäuschen. Es ist wirklich eine gefühlte Invasion. Es gibt kein vor und zurück, selbst die Verkehrspolizisten kommen mit ihrem Motorrad nicht mehr durch und fahren über den Gehweg. Nicht, dass sie sich des ganzen Durcheinanders annehmen würden, nein, nein. Es gelingt uns dennoch, Luang Prabang zu verlassen und auf der Landstraße Nr. 12 Richtung Norden weiter zu fahren. Keine 10 Kilometer hinter der alten Königsstadt sind wir wieder in Laos angekommen. Die Landstraße ist die Lebensader der Region. Wir wollen nach Nong Khiaw, eine beschauliche Kleinstadt im nördlichen Hochland. Neben der 12 gibt es keine weitere Straße. Für uns ist das unvorstellbar, aber hier gibt es nur den einen Weg. Alles und jeder muss über die 12, wenn man China will. Der Grenzübergang Boten (China) liegt nur 270 Kilometer von



Luang Prabang entfernt. Daher begegnen uns auf der gesamten Strecke wieder riesenhafte Laster, versehen mit Sechs bis Zehn Achsen, die schweren, hoch aufgestapelten Lasten unter riesigen LKW-Planen verpackt. Wenn man bergab fährt, sind ihre Staubfahnen schon weit hin sichtbar. Im Hinterkopf kann man dann schon mal seinen Fahrstil, besonders in engen Kurven, darauf ausrichten. Die Kleinstädte sind schäbig, verstaubt und es dominieren halbfertige Betonhäuser und hölzerne Bruchbuden. Die Trostlosigkeit dieser Ortschaften wird natürlich stark von dem grauen, bleiernden Licht unterstrichen, das heute herrscht. Die Farben sind fahl und besonders der grau-rote Staub, den die Fahrzeuge permanent aufwirbeln, legt sich auf alles nieder, was den Straßenrand säumt. Kioske und Suppenküchen sind mit roten Staub gepudert, wogegen die Köchin meist blaue Kunststoffsäcke über die Schüsseln und Schalen gepfropft hat, um feinstes Zementaroma im Pad Thai zu verhindern. Natürlich ist hier auf dem Land nichts so gepflegt, wie in Laos Touristenmetropole Nr. 1, Luang Prabang. Dort kann man vor Bordstein essen, auf dem Land eher nicht so. Die Seitenstreifen der Landstraße sind überzogen mit



Plastikmüll, was die ländliche Idylle ein wenig schmälert. Stetig, eigentlich kaum merklich, geht es bergauf. Luang Prabend liegt auf 300 Metern über N.N. und die Berge im Hochland gehen auf über 2000 Meter hoch. Die kleinen Dörfer sind viel gemütlicher, als die unpersönlichen Kleinstädte. Da heute Sonntag ist, muss ich in diesen kleinen Siedlungen ziemlich langsam fahren, denn überall laufen kleine Kinder, Ziegen, Hühner und Kühe herum, gerne hinter unübersichtlichen Kurven. Irgendwie scheine aber nur ich so zu fahren, denn immer wieder donnern große LKWs und Überlandbusse auf den Dorfstraßen an mir vorbei, wobei sich anscheinend die Fahrer da weniger Gedanken zu machen scheinen. Je weiter wir in das Hochland hineinkommen, umso bäuerlicher wird auch die gesamte Lebensstruktur der Menschen. An den Berghängen werden unterschiedlichste Gemüse und Pflanzenarten kultiviert, hier und da gibt es wieder Gummibaumplantagen und außerdem sieht man hier steil angelegte Reisterrassen, wie auch ebenso flachere Reisfelder in den Talsolen. Überwiegend sind die Reisfelder noch unbestellt, Kühe und Wasserbüffel weiden auf dem vertrockneten Reisstroh der vergangenen Reissaison. Sind doch schon mal einige Reisfelder bepflanzt, sieht man das leuchtende Grün der jungen



Reispflanzen schon aus großer Entfernung, besonders an so einen grauen Tag wie heute. Holzkohle wird überall in riesigen Mengen angeboten. Ganze Berghänge sind gerodet und warten anscheinend auf die Urbarmachung mit Reispflanzen oder sonstigem Gemüse. Als wir Pause machen und verzückt auf den tiefgrünen Nam Ou River starren, watscheln zwei ältere Frauen die Straße entlang. Gedrungen klein, bunte Tücher als Röcke um die Hüften geschlungen, tragen sie auf ihrem gebeugten Rücken Brennholz von A nach B. Hier ist weit und breit nichts. Kein Haus, kein Dorf, keine Stadt. Allein der Straßenabschnitt, auf denen sie uns



entgegenkommen, geht kilometerlang bergauf. Mit großen Augen betrachten sie uns, als wir vorbeifahren. Trotz der zerfurchten Gesichter, ist das Alter schwer zu schätzen. Die Spuren des Lebens sind gravierend, doch vermutlich altert man hier deutlich schneller, als in unseren Breiten. Derartige Begegnungen haben wir heute an dieser Straße des öfteren. Diese Menschen und ihre Lebensumstände zu sehen, erzeugt bei mir immer einen langen Nachhall. Wir würden vermutlich keine 3 Wochen hier überleben, der ein oder andere schreit bestimmt schon früher, „ich bin ein Star, holt mich hier raus!“



      Das Faszinierendste an dieser langen Motorradreise liegt für mich in der Veränderung der Gesichter. Angefangen auf Java und bis hier her, ins Hochland von Laos, sind die unterschiedlichen Gesichter der Menschen einfach spannend. Nicht nur ihre Gesichtszüge, auch die Geschichten, die sich darin lesen lassen. Auch wenn man häufig mit einer Geschichte konfrontiert wird, die einen noch lange beschäftigt.



      Die Fahrt ist toll, auch wenn das Wetter nicht so schön ist. Die Straßenverhältnisse sind hervorragend, gemessen an unseren Erfahrungen rund um Vientiane. Die Steigungen sind leicht, die Kurven langgezogen, meistens übersichtlich und die Schlaglöcher halten sich in Grenzen. Gegen Mittag passieren wir einen kleinen Stausee. Eine chinesische Staumauer hält hier die Wassermassen des Nam Ou Rivers zurück. Das es eine chinesische Staumauer ist,



daran lassen die Mandarinschriftzeichen keinen Zweifel. Natürlich ist der Teerbelag hervorragend, Kunststück, ist ja auch brandneu. Ebenso machen auch alle Häuser, die den kleinen Stausee säumen, einen ziemlich neuen Eindruck. Mit angenehmer Reisegeschwindigkeit von 70-80 Kilometern pro Stunde erreichen wir am frühen Nachmittag das Backpacker-Paradies Nong Khiaw. Bonne nuit folks!




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