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AutorenbildIngo

Backyard Streetart . . .

14. September 2023 - Kuala Lumpur

KM 4735


Uns ist gerade aufgefallen, dass es in unserem Hotelzimmer keinen grünen Pfeil an der Decke gibt, der die Himmelsrichtung nach Mekka weist. Wir sind erstaunt, denn das ist das erste Mal, seit 12 Wochen der Fall. Letztendlich sind ungefähr 60% der knapp 2 Millionen Einwohner Kuala Lumpurs, muslimischen Glaubens. Aber hier gibt es nicht 5 Mal am Tag, weithin hörbar ausgerufene, Koransuren. In der 23. Etage hören wir weder den Muezzin noch einen Hahn. Schlaraffenland. Es gibt etliche große und alte Moscheen, noch größere, weitaus Häßlichere neueren Baudatums. Neben den Moslems gibt etwa 10% Christen, 20% Buddhisten und ca 6,5% Hindus. Zumindest nach unseren Erfahrungen hier, spielt die Religion in Kuala Lumpur nur wenig eine Rolle im Alltag. Das ist natürlich nicht repräsentativ, nur eine Wahrnehmung. Den größten Glauben der Menschen hier, manifestiert sich in Forschung, Technik und Fortschritt. Derzeit läuft eine Messe im Conventioncenter mit dem Namen Love an Passion for Progress. Ich glaube, besser kann man den Rhythmus von Kuala Lumpur nicht beschreiben. Es ist keine hektische Großstadt wie Rom, New York, London, Paris oder Berlin. Hier ticken die Uhren anders. Der Verkehr ist geordnet, der Alltag ist geordnet und doch blinzelt hier zwischen den Alltagszeilen eine Neugierde, vor allem für technische Entwicklungen, die man nicht übersehen kann. Allein, was hier überall an exorbitanten Digitalscreens rumhängt, allein, wie viele Alltagsprozesse digital ablaufen und auch wie alle Menschen, jung und alt, ihre Dinge mit einem Smartphone erledigen ist sehr charakteristisch für diese Stadt. Selten eine so aufgeräumte, saubere und geordnete Stadt in Asien gesehen. Natürlich gibt es auch Risse im Paradies. Um

den Zentralmarkt, nahe Chinatown, gibt es Massen von Obdachlosen, die ihre Habe in Tüten transportieren und auf einem zerschnittenen Umzugskarton schlafen. Verlierer der Gesellschaft, hier werden sie zumindest nicht aus dem Gesichtsfeld der Touristen verbannt.

Was aber sehr augenscheinlich ist, nirgendwo gibt es ein richtiges Graffiti. Nie kann man das Ergebnis eines finsteren, nächtlichen bombings einer schwarzvermummten Hoodygang sehen. Während wir mit der Hochbahn durch Kuala Lumpur rumpeln, habe ich doch tatsächlich ein Tag gesehen, dass aber bereits fast vollständig beseitigt wurde. Man möchte meinen, dass es so gar keine Anarchoszene gibt, was ich kaum glauben kann, bei fast 2 Millionen Einwohnern. Es ist nicht so, dass es hier keine verlassenen Gebäude gibt, oder Rohbauten, deren Investor pleite ging. Aber, auch an diesen Gebäuden finden sich keine Spuren von gelangweilten oder übermäßig kreativen Menschen, nicht die kleinsten Anzeichen für Subkultur. Erstaunlich. Vielleicht liegt es auch daran, dass es hier drakonische Strafen für Vergehen gibt, die bei uns inzwischen als Kavaliersdelikt gehandhabt werden? Wer weiß? Heute ist uns ein Schild im Straßenverkehr aufgefallen. Es besagt, dass derjenige, der an dieser Stelle die Straße zu Fuß überquert und nicht auf dem Zebrastreifen geht, 500 Ringit (100 Euro) Strafe zahlen muss. Es gibt ein Heer an Verkehrspolizisten und außerdem schier unzählige Sicherheitsdienste, die

Häuser, Parkplätze, Hotels, Geschäfte und öffentliche Gebäude bewachen. Heute bspw. geleitete ein Sicherheitsmann einen blinden Fahrgast der Hochbahn sicher zur Straße runter. Im Goldenen Dreieck fahren die Sicherheitsmenschen auf Sackways durch die heiligen Hallen des polierten Marmors. Wie gesagt, diese Betrachtungen sind nur eine einwöchige Momentaufnahme. Ab er so gar keine Subkultur?

Es gibt in Chinatown eine Hinterhofgasse, die eine "Form" von Streetart für die Touristen bereithält. Dort hat sich eine junge Clubszene etabliert, mit ausgefallenen Bars, die schon ziemlich ansprechend sind, auch im ästhetischen Sinne. Natürlich gibt es große Galerien, hier regiert aber vornehmlich viel Geld und die Galerien halten sich an die global anerkannte Kunstszene. Der Wirtschaftsraum Kuala Lumpur setzt jährlich nahezu 180 Milliarden USD um. Jede Mall, jeder Tower leistet sich eine Galerie und natürlich auch die dazugehörende zeitgenössische (Geld-)Kunst. Vorbild ist das sicherlich Tokyo, wo japanische Topfirmen in den

frühen 90ern bspw. mit der Ersteigerung von van Goghs Sonnenblumen anfingen, ihre Wolkenkratzer zu garnieren. In den kleinen Seitengassen von Chinatown finden sich Alltagsmalereien von den guten alten Tagen chinesischen Lebens in der Enklave, weit entfernt der Heimat. Nett anzuschauen, besonders, wenn man direkt gegenüber in einem traditionellen chinesischen Hühner- und Entenbraterei sitzt. Vielleicht klingt das hier gerade nach Kritik, an


den angepassten Menschen hier. Nein gar nicht, manchmal finde ich so eine Form von Streetart gleichermaßen entspannend wir anheimelnd. Wären nicht diese Malereien, wäre es eine heruntergekommene Hinterhofgasse, weit entfernt von der Glitzertet des Goldenen Dreiecks.

Heute schlendern wir durch Kuala Lumpur, so ohne Ziel. Fahren Bahn, laufen am Fluss, statten dem ACE Café noch einen Besuch ab. Einfach den Rhythmus der Stadt aufsaugen. Trinken hier und da Kaffee. Die Sonne lacht heute, es ist ziemlich windig und nur wenig drückend. Sehr

angenehm, um die Nebenstraßen zwischen Zentral und Brickfield zu erkunden. In Brickfield liegt Little India, was eigentlich für heute auf dem Programm stand. Als wir gestern mit der Bergziege vom Thean Hou Tempel kamen, mussten wir durch Brickfield fahren. Brickfield war in den frühen Tagen der britischen Kolonialzeit der Stadtteil, der offenkundig die tonhaltigste Erde hatte, wo die Ziegel (engl. bricks) für den Häuserbau Kuala Lumpurs gepresst und getrocknet wurden. Brickfield / Little India liegt südwestlich vom Stadtzentrum und die Robson Heights, der äußerte Ausläufer von Chinatown, bildet die Grenze zu Little India. Ein bißchen waren wir enttäuscht, als wir gestern dort durchfuhren. Dort reiht sich Restaurant an Brautmodengeschäft, an Brautschmuckgeschäft, an Restaurant, an Brautmodengeschäft, usw. Alles sehr geordnet, auch der Verkehr. Ich hatte mehr so die wilde Vorstellung von Klein Delhi . . .

Wir folgen dem Klang River, der die "natürlich" Grenze zwischen dem britischen Viertel und den chinesischen Kulis bildete. Der Klang River hat inzwischen ein Betonbett und ihm wird klar definiert, wo er heraufließen hat. Da die Regenzeit noch nicht vollständig angefangen hat, ist der Wasserstand ziemlich niedrig. Auf dem Betonufer "finden" wir mehrere große Echsen. Man stelle sich jetzt eine Mischung von Eidechse und Waran vor, ab einem halben Meter aufwärts. Zum Kaffee enden wir in einem Club nahe der Petaling Street. Beim Kaffee kommen wir unweigerlich

darauf zu sprechen, was wir inzwischen alles erlebt und gesehen haben. Immer wieder fasziniert uns die vollkommene Unterschiedlichkeit eines jeden Reisetages. Allen Erinnerungen ist aber eins gemein, selten haben wir so unkomplizierte, unglaublich freundliche und hilfsbereite Menschen getroffen, wie in den vergangenen 12 Wochen . . .

Unsere Zeit in Kuala Lumpur geht morgen zu Ende und morgen geht es weiter in die Berge, die Cameron Hills. Trotzdem ist es ein seltsames Gefühl, dass wir - zumindest auf dieser Reise nicht wieder herkommen. Aber, dass ist ohnehin schon komisch, dass es "keinen" Rückweg gibt.



Für uns heißt das, dass wir alle Erinnerungen fest in unseren Herzen halten werden. Wir müssen noch Jacken wachsen, packen, den Concierge informieren, wann wir auschecken und morgen geht es wieder auf die Straße nach Norden. Irgendwie freue ich mich darauf, wieder im Sattel zu sitzen, aufzubrechen, Wind durch den Helm zu bekommen. Aber trotzdem war Kuala Lumpur eine tolle Erfahrung, die wir auf keinen Fall missen wollen. Und - eins ist klar - eines Tages werden wir wiederkommen. Bonne nuit folks.




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1 Comment


marc.luetjens
Sep 15, 2023

KI hilft den zufälligen Kunstinteressierten Dollyfahreren:

In Asien, wo sich Street Art mit großer Geschwindigkeit entwickelt, gibt es viele talentierte Künstler, die die Straßen mit ihren Werken verschönern. Wenn Sie mehr über chinesische Straßenkunst erfahren möchten, können Sie eine der vielen Galerien besuchen, die sich auf Street Art spezialisiert haben.

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