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AutorenbildIngo

Auf dem Tonle Sap . . .

14. Dezember 2023 - Siem Reap

KM 14227


Der Fährbetrieb ist vor 10 Jahren eingestellt worden! Aha, so so. Ich schaue den Ticketmann, in der obligatorischen amtlichen Kakhiuniform erstaunt an. Er fühlt sich verpflichtet mit mehr Infos rauszurücken. Die Straße nach Phnom Penh sei jetzt so gut, dass man die Fähre von Siem Reap nach Phnom Penh nicht mehr benötige. Nun ja, beginne ich, das sei ja alles gut uns schön, aber, so eine Bootsfahrt sei doch lustig, romantisch und entschleunigend. Er schaut mich völlig perplex an, das sei nun gar nicht zu verstehen, wo die Straße doch jetzt so gut sei!



Wir stehen am "Fährhafen" von Siem Reap, der unmittelbar in den Wetlands des Tonlé Sap Sees liegt, etwa 11 Kilometer von der Stadt entfernt. Wir wollen die Bergziege auf eine Fähre verladen und gemütlich über den großen Teich nach Südosten schippern, bis kurz vor Phnom Penh und uns die ganze Juckelei über das platte Land ersparen. Nun gut, bin sehr auf die Straße gespannt, muss ja ein richtiger Kracher sein, wenn man schon den Fährbetrieb dafür einstellt.

Außerdem kann man von hier aus einen Floating Market besuchen. Schwimmende Märkte haben in Südostasien Tradition, doch, leider, sind sie meist zu einer ziemlich voyeuristischen Tourifalle verkommen, mit Handcraftmarket- und Restaurantbesuchszwang. Während wir da noch so beratschlagend stehen, rollt wieder ein Touristenbuss an und spuckt 30 willige Floating Marketbesucher in die heiße Mittagssonne aus. Danach parkt er neben den anderen Bussen. Der Floating Market ist nichts anderes, als ein Fischerdorf, dessen Häuser auf Stelzen gebaut sind,



die während der Wet-Saison dann eben im Wasser stehen und damit einen venezianischen Eindruck hinterlassen. In der Trockenphase kann man ohne weiteres vom "Fährhafen" zum "Floating Market" fahren. Unser Reiseführer rümpft ein wenig "inhaltlich" die Nase über diese touristische Veranstaltung und rät dringend ab, diesen Nepp mitzumachen . . . Er empfiehlt eindeutig ein etwas abseits gelegenes Tonlé Sap Dorf, wa aber 40 Kilopmeter nach Nordosten am Ufer des Sees liegt. Da wir heute nicht in Kultur machen, sondern so schlichte Dinge, wie Wäsche im Hotel abgeben, wie Jackenfutter nähen lassen, Transporttaschen für unsere Blechbecher organisieren und ein Frieseurbesuch, haben wir Zeit . . . Wir fahren zurück, Richtung Siem Reap, vorbei an den schwimmenden Behausungen der Fischer, den Landungsbrücken, wo es bestialisch nach verfaultem Fisch riecht, durch kleine Dörfer, die ihrer Broterwerb durch Reisanbau bestreiten.



Die Landstraße nach Kompong Phluk liegt erhöht, dammartig und verläuft - wie kann es auch anders sein - schnurgerade durch die landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die 40 Kilometer sind etwas eintönig, sodass ich mit schmunzeln an meinen Friseurtermin denken muss. Eigentlich war es kein Termin, wir hatten den Barber Shop, wie es jetzt so schön heißt, bei der Stadterkundung gesehen, sind eben mit der Bergziege vorgefahren, durften parken und ich bin rein in die Herrencapperei. Ist aber ein Mischsalon - sage ich jetzt mal so. Die Konverstaiton lief folgendermaßen: Cut? Yes! Short? Short! Das wars, dann durfte ich auf dem, mit hellblauem Stoff bespannten, Stuhl platznehmen. Bei meinem Nebenmann wurde gerade, von einer jungen Dame, das Innere der Ohren einer Intensivreinigung unterzogen, während eine andere junge Dame, die Fußnägel bearbeitete. Nonverbal wird mit die Pflege von Ohren, Finger- und Fußnägeln in Aussicht gestellt, was ich dankend ablehne. Sanft zieht der junge Mann an meinen Barthaaren und ebenfalls nonverbal, durch eine, mit zwei Fingern, angedeutete Schere, wird nach dem Trimmen des Bartes geforscht. Auch da lehne ich ab. Auf Vollbärte scheinen die asiatischen Friseure richtig versessen zu sein . . .



Anni erkennt mich wieder, was ich mal als gutes Zeichen werte, dass der junge Mann sein Handwerk wohl verstand. In Anbetracht der physischen Situation war ich mir da nicht sicher. Denn, trotz der niedrigsten Stuheinstellung, war der junge Mann immer noch kleiner als meine, sitzende Wenigkeit. Bei der Bearbeitung des Deckhaares, also der verbliebenen Fusseln, musste er sich immer auf Zehenspitzen stellen. Sehe aus wie Bond, soviel ist mal sicher!

Nächster Stop, der alte Markt, dort residieren die Schneider, zwischen getrocknetem und vermentiertem (!) Fisch, der sogenannten Prahoc-Paste. Leichte olfaktorische Zwangslage meinerseits, der Geruch von vergorenem Fisch gehört nicht zu den lieblichen Düften, die meine Nase dazu bringen, dem Gehirn einen Wohlfühlimpuls zu signalisieren, wohl aber einen Würtgereiz. Spezialität hin oder her, das Zeug stinkt so bestialisch, dass man, nur mit dem Geruch allei, Raufaserbeläge abtapezieren könnte! Meine Mopedjoppe hat ein ausgerissenes Futter am Ärmelaufschlag. Wollte das eigentlich selbst nähen, aber mit einer Maschine geht das wohl besser. Bei Annis Hose hatte sich auch eine Naht gelöst, also stiefeln wir zu der Dame mit ihrer Nähmaschine und geben unsere Plünnen ab. Am Ende kostet das nicht einmal 2 US$, was uns schon peinlich ist, denn alles ist professionellst erledigt. Überhaupt Dollar und Riel, das ist hier schon ziemlich verwirrend. Beide Währungen werden benutzt. Aus den ATMs kommen auch nur US$ und wenn man mit Dollar bezahlt, kann es sein, dass man Riel zurückbekommt oder gar US$ und Riel. Man muss es, trotz aller Verwirrung, als Gehirnjogging nehmen, dann gehts.



Die Straße nach Phnom Penh, die Gute, für die der Fährbetrieb eingestellt wurde, entpuppt sich als aufgeweichte, rutschige Spurrillenpiste. Hoffe, dass sie besser wird, denn das Stück bis zum Abzweig nach Kompong Phluk ist grottig. Wir biegen in der nachlassenden Nachmittagssonne auf eine schmale Betonpiste ab, die über die Dörfer führt. Nach einigen Kilometern hört der Asphalt auf und es bleibt eine harte Schotterpiste, die sich als Wellblech ausgeformt hat. Für den geneigten Leser, eine "Wellblechpiste" ist eine Piste, die kleine Spurrillen in Wellenform quer zur Fahrbahn hat. Die einzige mögliche Fahrweise, um nicht Bandscheibenvorfälle oder Wirbelblockaden zu bekommen, ist, mit mindestens 70 Kilometern pro Stunde, darüber zu kacheln. An einem verengten Abschnitt der "roten" Piste werden wir angehalten und müssen Tickets für die Bootstour kaufen. Es wirkt alles etwas improvisiert, was uns hoffen läßt, dass die ganze Bootsaktion nicht im ausschließlichen Begaffen der Seebewohner, dem Handcraftmarket und dem Restaurantzwang besteht. Wir müssen noch weiter über den Wellblech-Damm, um den Anleger zu erreichen. Mit einer ziemlich großen Staubfahne nagelt die Bergziege über die restlichen 3 Kilometer Deich, der beidseitig zunehmend, mehr und mehr schlammig-braunes Wasser führt. In einer roten Puderwolke kommen wir vor dem Anleger zum Stehen, schließen die Ziege an und werden mit einem, gefühlt 16 Jährigen. Kapitän zu einem kurzen, schmalen Longtail verfrachtet. Theoretisch hätten 12 Personen Platz auf dem hölzernen Seelenverkäufer, aber wir sind mit Käpten Ahab allein. Man schippert durch einen geraden Kanal, entlang des Deichs, über den man in der Trockenzeit das Dorf Kompong Phluk erreichen könnte.



Der Tonlé Sap See, es gibt auich noch den Tonlé Sap Fluss, gehört zum Mekong-Flusssystem. Es ist der größte Süßwassersee Südostasiens und gilt als eines der vielfältigsten und produktivsten Ökosysteme der Welt. Aufgrund seiner hohen Artenvielfalt wurde er 1997 von der UNESCO zum Biosphärenreservat (ich liebe solche Worte!) erklärt. Der See und die umliegenden Ökosysteme "stehen" zunehmend unter Druck, denn durch Abholzung und Infrastrukturentwicklung, vollzieht sich hier der Klimawandel in großen Schritten. Der 120 Kilometer lange Fluss Tonlé Sap verbindet den See Tonlé Sap mit dem Mekong und trägt 9 % zum Fluss des Mekong bei. Die Größe und das Wasservolumen des Sees variieren im Laufe des Jahres stark. Vereinfacht gesagt führt das dazu, dass das Wasser des Tonlé Sap Flusses "rückwärts" fließt, wenn in der Trockenzeit der Wasserspiegel des Sees stark sinkt. Dieses



Phänomen scheint hier wohl einzigartig zu sein, zumindest habe ich das gelesen. In der Regenzeit kann der Wasserpegel des Tonlé Sap Sees um mehr als 10 Meter steigen, was die ziemlich hohen Stelzen der Häuser von Kompong Phluk erklären. In den Dörfern und Städten rund um den See leben etwa 1,2 Millionen Menschen, auf das etwa 60 % der jährlichen Süßwasserfänge Kambodschas von über 400.000 Tonnen entfallen. Die sind für 60 % der Proteinaufnahme der Bevölkerung des Landes verantwortlich. Die meisten Fische werden frisch verzehrt, und die fermentierte Fischpaste Prahoc wird normalerweise aus dem unbeliebtesten Fisch oder Fischresten mariniert, die nicht frisch verkauft werden können. Logisch, wie auch



sonst? Die Fahrt entpuppt sich natürlich als genau das, was wir nicht wollten. Wir werden durch das Dorf geschippert, wo wir der arbeitenden Bevölkerung bei ihrer täglichen harten Arbeit zuschauen. In Burma hatten wir schon mal eine ähnliche Situation auf dem Inle-See. Am Ende haben die Fischer nix von den ganzen Touristen, nur das Konsortium, dass die Tickets verkauft und die Handcraftmarkets bestückt. Die Fischer sind bereits alle zurück vom See und dabei ihre Fänge aus den Netzen zu holen. Auch wenn das warme Sonnenlicht einen pittoresken Charme über das Dorf legt, ist der überall im Wasser rumdümpelnde Plastikmüll nicht zu übersehen. Hat noch keine indonesische Dimensionen, aber ist nahe dran. Natürlich steuert unser Kapitän gezielt auf ein Restaurantboot mit Verkaufsfläche zu, an dem schon. zwei ähnliche Holzboote vertäut liegen. Wir signalisieren ihm, dass wir dort nicht hinwollen! Unmissverständlich! Nein? Nein!, Wirklich, nein? Nein!!! und hochgezogene Augenbraue! In letzter Sekunde dreht er bei, doch muss er auch abwägen, Mecker von uns - verabschieden vom etwaigen Trinkgeld - oder Mecker vom Restobesitzer, der einen ziemlich wütenden Gesichtsausdruck aufgesetzt hat. Er stand nämlich schon stramm parat, um die nächsten Trottel in seiner überteuerten Kombüse über den Tisch zu ziehen. Unser Holzkahn tuckert aus dem Kanal hinaus, auf den offenen Tonlé Sap, dessen gegenüberligenden Ufer man natürlich nicht sehen kann.



Das Wasser des Sees ist unruhig und ich kann mich gut daran erinnern, vor Jahren mal mit einem längeren, schwankendem Longtail den See überquert zu haben, mit ziemlich windigen Regengüssen. Doch heute scheint die Sonne und nach einer kleinen Alibirunde auf dem "offenen" See steuert Käpten Ahab zurück in den Kanal und nach Kompong Phluk. Auf dem Programm steht noch der Besuch des Wats im Dorf, doch an der Landungsbrücke lauern schon 15 kleine Kinder, die alle einen Bauchladen umgeschnallt haben. Er möge weiterfahren, was er widerstandslos auch macht . . . Hier müssen wir noch über Krokodile sprechen. In den Dörfern rund um den See werden Siamkrokodile gezüchtet, natürlich nicht, um sie auszuwildern,



sondern wegen des Leders und des Fleisches. Besonders in Thailand ist das sehr begehrt. Viele Tiere werden illegal nach Thailand gebracht und zusätzlich ist der Tonlé Sap See so überfischt, dass die Krokodile mit Wasserschlangen gefüttert werden, die eigentlich die Fischer früher zu Mittag hatten. Dadurch sind die Fischer auf Schildkröten umgestiegen . . . Was soll ich sagen? Ich lasse das mal so stehen.

Es ist nicht so, dass diese Fahrt nicht interessant gewesen ist, leider hat es was von Zoobesuch und man merkt den Menschen im Dorf an, dass wir nicht willkommen sind. Dazu kommt, dass uns noch eine Armada an Touristenbooten, nicht nur in unserem Format, sondern dreifach so große "Doppeldecker", im Kanal entgegenkommen. Mit Partymucke und kaltem Bier an Deck. Sprachlosiglkeit unsererseits. Also Floating Markets und Villages sind für uns aus dem Programm genommen! Bonne nuit folks!



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1 Comment


Marc Luetjens
Marc Luetjens
Dec 15, 2023

KI mit einem kleinen Essay:

Es war einmal ein kleines Mädchen namens Anni, das mit ihrer Familie in einem Dorf in Kambodscha lebte. Eines Tages beschloss Lila, mit ihrem Ingo auf einem Longtail-Boot zum schwimmenden Markt von Kompong Phluk zu fahren. Der Markt war voller Leben und Farben, und Anni war nicht begeistert von all den verschiedenen Gerüchen und Geräuschen.

Während sie durch die engen Kanäle des Marktes fuhren, bemerkte Anni ein Mädchen, das alleine auf einem Boot saß und Obst verkaufte. Das Mädchen war jünger als Anni und schien sehr traurig zu sein. Anni fragte ihren Ingo, ob sie das Mädchen besuchen und ihr helfen könne.

Ihr Ingo stimmte widerwillig zu, und Anni ging auf das Boot des Mädchens…

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