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Auf dem Dach der Welt . . .

Aktualisiert: 4. Apr.

31. März 2024 - Von Lete nach Muktinath

KM 21.122


Um kurz vor 7 wische ich das Kondenswasser von der Panoramascheibe unseres Hotelzimmers in Lete. Die ersten Sonnenstrahlen kriechen über den Gipfel des Annapurna 1. Bewaffne mich mit Kamera und dicker Jacke und gehe hinaus in den Morgen. Werfe einen Blick auf den Dhaulagiri und eile sofort zurück, um Anni aus dem Bett zu werfen. Ich bin mir sicher, dass sie das sehen möchte. Der Gipfel des Dhaulagiri liegt, tief verschneit, völlig klar sichtbar vor dem tiefblauen Morgenhimmel. An seiner westlichen Flanke hängt noch deutlich sichtbar der Mond über dem verschneiten Grat. Unglaublich, nach dem Gewitter, was gestern Abend noch






stundenlang über Lete hing und mit Donner und massenhaft Regen gewütet hat, ist nichts mehr zu sehen. Es sind grad mal 4 Grad, doch der Tag verspricht ziemlich sonnig zu werden. Die meisten Gäste haben längst gefrühstückt und die meisten Off-Road-Fahrzeuge haben bereits den Hotelparkplatz verlassen. Alle bis auf einen, dessen Batterie wohl die kalte Nacht nicht überstanden hat. Bin gespannt, was die Bergziege uns heute morgen sagt, wenn wir sie starten wollen. In Bergsteiger- oder auch Trekkingkreisen ist man früh auf, zumindest um diese



Jahreszeit. In den frühen Morgenstunden liegt der große Himalaya meist im klaren Sonnenlicht und ab dem frühen nachmittag, verschwinden die meisten Gipfel im Dunst. Heute morgen sind wir ergriffen. Dieser Anblick ist einfach nicht mehr zu toppen. Gestern war es schon spektakulär aber heute morgen ist, tja, der reine Wahnsinn. Wir packen unsere 7 Sachen und heute ist der Tag, an dem wir definitiv die dicke Winterunterwäsche anziehen. Also Merinoshirts und




Wollsocken. Das mein Rolli kein Luxusgepäckstück ist, hatte ich bereits erwähnt. Damit haben wir tatsächlich alle Bekleidung, die wir mit genommen haben, auch benötigt. Die Handschuhe sind über Nacht nicht getrocknet, ebenso wenig, wie unsere Motorradjacken und die Protektorwesten. Die Zimmer haben hier oben alle keine Heizung. Doch in unserem Bettchen gab es eine riesige Heizdecke, die auch wohl von Nöten war. Als die Sonne über den Annapurna steigt, fällt warmes Licht auf unseren Balkon, sodass wir alle feuchten Sachen während des Frühstücks dort zum Trocknen aufhängen.






    Von Lete nach Muktinath sind nur 45 Kilometer. Doch Nepals wichtigster Pilgerort, das hiesige Rom sozusagen, liegt auf 3760 Metern und damit nochmal knapp 1200 Höhenmeter über Letes 2600 Meter. Vom Hotel biegen wir auf die toll asphaltierte Straße, Richtung Norden. Nur um 1 Minute später wieder auf einem steilen Off-Road-Abschnitt durchgeschüttelt zu werden. Doch überwiegend ist tatsächlich eine Straße vorhanden, die sich parallel zum breiten Tal des Kali Gandaki, zwischen Annapurna und Dhaulagiri, hindurchschlängelt. Was der Gandaki gestern an schluchtartiger Topografie aufwies, ist heute in die Breite übergegangen. Kaum 10 Kilometer




hinter Lete kann ich nicht anders und lasse das Fliewatüt für etwa 20 Minuten zwischen den beiden Achttausendern steigen. Problemlos. Die Landschaft ist so umwerfend, dass wir so gar nicht richtig in Fahrt kommen, weil ich immer wieder anhalten muss, zum Fotografieren oder einfach nur, um dieser Naturschönheit Respekt zu zollen. 5 Kilometer vor Jomsom, beginnt eine pistentechnische Mondlandschaft, die wir nur sehr langsam durchfahren können. Große lose Geröllstücke und häufig auch spitze Flusskiesel, die halb aus dem Boden ragen, verlangsamen unsere Fahrt. Von wegen die Straße ist durchgehend bis Muktinath . . .




   Jomsom ist natürlich ein Kaff, aber immerhin mit Kaserne, einem Flugfeld, für die Trekker, die von Pokhara aus herfliegen, ATMs und einem Haus, an dem ein Lavazza-Schild hängt. Es gibt Cappuccino, Zimtschnecken und Schokocroissants. Also Pause, können wir ruhig machen, denn es sind nur noch 18 Kilometer bis Muktinath, was unser Navi mit 1,5 Stunden beziffert. Aha, so so. In Jomsom müssen wir auch erneut unsere Permits vorlegen und das Kennzeichen der





Bergziege wird in einem dicken amtlichen Buch, mit rotem Hardcover, vermerkt. Von hier aus werden die Gipfel kleiner, doch wir befinden uns schon oberhalb der Baumgrenze, sodass die Berge einer Karstlandschaft gleichen. Die Piste ist jetzt nur noch geschottert und das Hinterrad der Bergziege schwimmt bei höherem Tempo ein wenig hin und her. Dann geht es in sandigen Serpentinen bergauf und nach 12 Kilometern liegt das kleine Dorf Kagbeni zwischen den



baumlosen Hochgebirgshängen. Wir befinden uns schon in der Region Mustang und in Kagbeni gabelt sich die Straße, links geht eine Schotterpiste nach Upper Mustang, an der tibetischen Grenze und rechts geht eine - jawohl - geteerte Straße, hoch nach Muktinath. Wie bereits erwähnt, ist Upper Mustang eine Sonderzone, für die der Permit pro Person 500 US$ beträgt. Wildes Land, keine Straßen mehr nur noch Schotterpisten und - wie sagte Mahir in Beni so schön - unbefestigte Schotterpisten. Das will was heißen! Die Straße nach Muktinath ist super




asphaltiert, mit Fahrbahnbegrenzungen - lächerlich - was soll das denn, verwirrt doch nur. Was soll ich sagen. Die Bergziege kommt jetzt richtig ans Arbeiten. Die Kurven sind so eng und die Schlagzahl der, uns entgegenkommenden, Überlandbusse auch, dass ich vor jeder Serpentine kräftig hupen muss, damit wir nicht als Zierelement, eines bunt bemalten Kühlergrills im nepalesischen Nahverkehr enden. Auf gut 3000 Metern muss ich scharf bremsen, denn dort



liegt ein Parkplatz mit einer atemberaubenden Aussicht, natürlich hinter einer Kurve. Der Wind ist schneidig und fegt über die ebenen Teile der Aussichtsplattform. Spätestens jetzt ist mir so richtig klar, dass wir auf dem Dach der Welt angekommen sind. Zwei Achttausender, einige Sechstausender und Siebentausender reihen sich von West nach Ost, meist mit hell glitzernden Eisflächen auf den Spitzen. Leider ist der Wind so stark, dass Anni bei der Bergziege bleibt, die Gefahr läuft, vom Wind umgeworfen zu werden. Ich beschränke mich auf ein bißchen Filmen,



Fotografieren und - außerdem wollen wir los. Auf dem Parkplatz rüsten sich etliche Überlandbusse, ihre touristische Fracht wieder einzuladen und sich ebenfalls auf die letzten 8 Kilometer nach Muktinath zu begeben. Doch die Schlagzahl spektakulärer Panoramen ist für heute noch nicht zu Ende. Nach gut 2 Kilometern, öffnet sich das Tal zu einem weiten Kessel und weit oben, unterhalb der, leicht mit Schnee gepuderten Gipfel, liegen die flachen Bauten und weißen Tempel von Muktinath. Wir sind auf dem Dach der Welt angekommen. Bonne nuit folks und frohe Ostern!


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