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  • AutorenbildIngo

200 days to go . . .

Es ist kurz vor dem Jahreswechsel und ich habe festgestellt, dass es nur noch 200 Tage sind, bevor es losgeht. Starre aus dem Fenster, fühle ich mich irgendwie verloren, so zwischen zwei Stühlen. Es ist so, als würde die Welt gerade inne halten, zumindest meine Welt. Auf der Straße streben Menschen von A nach B, hochgezogene Schultern, gebeugt beim schnellen Gang durch den lauwarmen Nieselregen und gegen den kalten Wind. Von der Theke her lassen sich die zischenden Brühgeräusche der Kaffemaschine vernehmen, wenn sich genügend Druck aufgebaut hat und das Espressopulver durch das Sieb gepresst wird. Gedämpfte Gespräche, Lachen, das klirrende Geräusch von Porzellantassen, die auf Untertassen abgesetzt werden. Der Kamin bullert und macht eine wohlige Wärme. Eigentlich eine schöne, wohlige Stimmung. Eigentlich! 200 Tage!

Immer wieder wurden wir in den vergangenen Tagen gefragt, wie es denn um unsere Planungen stehe? Gefühlt ist alles fertig. Eigentlich. Aber natürlich fehlt immer noch etwas. Aber meist antworten wir, „eigentlich ist alles fertig“. Muss nur noch abgearbeitet werden. 200 Tage! Frage mich, was das für mich bedeutet? Starre immer wieder aus dem Fenster und beobachte die Menschen, die von A nach B hasten. Alle haben ein Ziel, wirkt zumindest so, alle scheinen einen Punkt am Horizont zu fixieren und streben darauf zu. Manchmal hilft mir der Blick auf andere Menschen, um bei mir selbst zu schauen. 200 Tage! Wie sagt meine Lieblingstante immer, „Lass es los“! In den vergangenen Monaten war gar keine Zeit zum Loslassen, Termine, Hektik, Stress, wie bei allen anderen auch. Merke gerade, wie sich vieles löst, allein der Gedanke, wo wir wohl in einem Jahr zu Weihnachten sein werden? Habe mal Weihnachten in der Karibik verbracht. Das war ziemlich seltsam, nicht wegen der fehlenden saisonal-heimatlichen Devotionalien, sondern eher die riesigen leuchtenden Weihnachtsmannfiguren zwischen den Palmen und der ganzen Latinomucke. Heilige Nacht, Stille Nacht im Sambarhythmus … es war einfach urkomisch, beinahe surreal.

200 Tage, das fühlt so an, als hätte sich mein persönlicher Alltagsschnellzug in den Slow Motion Modus begeben, etwas schwerelos, nur wenig in Bewegung. Innehalten, loslassen, 200 Tage.

Bis vor wenigen Wochen war Planung ein fixer Bestandteil unserer Tage, Routen, Gepäck, Ersatzteile, Technik … Ruhe kehrt ein, Bewusstsein, Nachdenken und ein Blick auf die Weite des Horizontes. Die Gespräche an den Nebentischen sind hochgradig spannend, von trivial bis hochproblematisch. Jeder auf dem Weg zu seiner persönlichen Lebensinsel, die einen beginnen gerade verbal überschwänglich, aber dabei physisch zaghaft, eine gemeinsame Reise, die anderen scheinen bereits zu lange gemeinsam unterwegs zu sein, als dass sie sich noch viel zu sagen hätten. Vielleicht fehlen ihnen die Eindrücke des Lebens. Wohin unsere Reise geht, ist ungewiss, trotz der viele geplanten kulturellen Fixpunkte. Genau das brauchen wir, Ungewissheit. Keinen fixierten Alltag, Terminpläne und immer den Gedanken, „nur das muss noch und das und das und das …“. Planungsmotivation verblasst zugunsten von Losslassen und Einlassen. Der Lockruf der Fremde wird lauter, der Horizont weiter. Meine Fantasie atmet auf, holt Luft und befreit sich.

Vor meinem geistigen Auge taucht ein langes Asphaltband auf, das unaufhörlich unter uns weggleitet, unscharf, mehrfarbig in seiner Erscheinung. Unterwegs, in Bewegung, wahrnehmbare Veränderungen im Aussehen der Menschen und der vorbeiziehenden Landschaft. Eine lange Wartezeit geht zu Ende und die innere Vorfreude auf das Ungewisse beginnt leise zu pochen. Auch wenn Planen, Verwerfen und erneut Planen schon viel Vorfreude ausmacht, nichts ist vergleichbar mit der Vision dieser Straße. Eine lange Straße durch die Schmelztiegel auf der anderen Seite der Erde. Farben, Gerüche, Laute, Geschmäcker werden die Eindrücke am Rande unseres Weges bestimmen, ebenso wie die Gesichtszüge der Menschen. Lange Reisen in Indochina und Indien haben Eindrücke hinterlassen, die wir nach Malaysia und Indonesien mitnehmen. Beide Regionen kenne ich nur aus Reiseerzählungen und -berichten, die sich, kombiniert mit meiner Fantasie, zu einer visuellen Umgebung unserer Straße zusammenfügt. Wie auch immer sie tatsächlich aussehen wird, ist ungewiss, mein Kopf wird die „Reisedaten“ und Klischees korrigieren und in prägende Eindrücke wandeln. Die brauchen wir im Alltag! Wir können nahezu jede Abbiegung nehmen, die wir wollen, da wir keinen festen Fixpunkt für die Rückreise haben. Wenn wir nicht bis Indien kommen, dann kommen wir nicht bis Indien. Bedeutet eigentlich nur, dass wir irgendwo unsere Planung durchbrochen haben und in den Modus des Treibenlassens übergegangen sind. Mein bevorzugter Reisemodus übrigens, das Gegenteil von irgendwo-ankommen-müssen. Wir werden sehen, welche Gestade die unseren sind, wohin uns der Wind weht oder treibt. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachte ich das Reisen mit dem eigenen Fahrzeug. Dadurch gehen die lustigen, zuweilen auch skurrilen, Erlebnisse von Bahnhöfen, Tuktukfahrerei, Nahtoderfahrungen in Überlandbussen oder dem spannenden Ticketkauf in fernen Ländern verloren. Gewinnen werden wir natürlich unvergessliche Eindrücke in der vielfältigen Diskussion verschiedenster Ordnungshüter oder wie auffällig wir wohl mit unserer bepackten Bergziege einer engen Basargasse sein werden.

Das ein Durchfahren einer Region nicht zwangsläufig zum tiefen Eintauchen in eine fremde Kultur führt, ist unbestritten. Dennoch können wir auf dieser Reise den Faktor Zeit nahezu selbst bestimmen. Wo und wie wir verweilen, liegt in unserer Hand, meist hoffentlich. Was für ein Luxus, dass wir nicht nach drei oder vier Wochen wieder in den Flieger steigen müssen. So ist es eher ein Durchstreifen der Fremde, denn ein einfaches Durchfahren.











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